Der Metal mit den Frackschößen und der Rock fast schon gewöhnlich, potenziell als Hit: Neue Alben von Coppelius und Mutabor

Sie tragen in ihrer Freizeit gern grob gewirkte Gewänder? Ihre liebste Haarfrisur ist die Tonsur? Sie finden aber auch nicht unbedingt, dass es seit dem 16. Jahrhundert nur noch bergab geht? Dann hätten wir da was für Sie: Coppelius pflegen zwar Verbindungen zur Mittelalterszene, haben sich aber längst von deren mitunter dogmatischen Vorgaben emanzipiert.

Das bedeutet auf „Zinnober“, ihrem dritten Album, zwar, dass ein A-Cappella-Stück wie „Vergessen“ jedem Mönchschor Tränen in die Augen treibt und auch manch andere Melodei aus der Vormoderne stammt. Ansonsten aber ist das Sextett bereits im 19. Jahrhundert angekommen. Dort hat man E. T. A. Hoffmann entdeckt, ein paar Frackschöße, Zylinder und einen Haufen Theaterschminke gefunden. Max Copella singt in einer leicht ironischen, aber vor allem angeblich altertümlichen Sprache von Duellen, mit denen eine „schändliche Tat“ gerächt werden soll. Getrunken wird Absinth, Damen werden mit Handkuss begrüßt, und der Mensch sorgt sich um sein Seelenheil. So wird das Kunstlied mit dem gepflegten Grusel kurzgeschlossen, während sich musikalisch der vermeintliche Barockbombast eher am moderneren Heavy Metal orientiert. Die Folge ist, dass „Zinnober“ bisweilen klingt, als hätte man Iron Maiden die E-Gitarren weggenommen und ihnen bloß Klarinette und Cello überlassen – also etwas dünn. Das ist tatsächlich das größte Problem dieses Albums: Dass es die Live-Fähigkeiten der Band nur bedingt einzufangen in der Lage ist. Überhaupt: Ohne den ganzen Mummenschanz macht das eh nur halb so viel Spaß.

Auch Mutabor verkleiden sich gern. Vor allem Axel Steinhagen, der sich als Sänger der Band Axl Makana nennt, malt sich schon mal ein paar bunte Muster ins Gesicht, deren Ursprünge und Bedeutungen er vermutlich in seinem Ethnologiestudium erforscht hat. In der Musik seiner Band ist diese Vorbildung auf „Das Blaue“, dem ersten Album nach der zwischenzeitlichen Auflösung und Wiedervereinigung 2009, allerdings kaum mehr zu hören. Die früher wichtigeren Folkloreeinflüsse sind weniger geworden, aber immer noch wird die Fiedel regelmäßig in Richtung Osteuropa losgelassen oder die Rhythmusgruppe gen Lateinamerika. Doch dominant sind nun andere Einflüsse: der Ska, der mit ihm verwandte Punk und überhaupt immer mehr gewöhnliche Rockmusik.

Zu hören ist auch, dass der Sound erstmals von Kraans de Lutin designt wurde, einem Fachmann, der schon Mellow Mark oder Culcha Candela eine mainstreamtaugliche Politur verpasste. Ob das all den alten Fans gefallen wird, ist zwar fraglich. Schließlich sind Mutabor nicht mehr das, was sie früher einmal waren, nicht mehr so anarchisch, wild und verwegen. Man könnte aber auch sagen: Aus Mutabor ist ein wenig überraschend eine richtig gute Rockband geworden, deren bester Song nun das zuerst akustisch hingetupfte und dann rechtzeitig zum Refrain mit einer bräsigen Stromgitarre aufgepolsterte „Jamma“ ist: einerseits ein bisschen erwartbar, andererseits aber halt auch ein potenzieller Hit. THOMAS WINKLER

■  Coppelius: „Zinnober“ (F.A.M.E./ Edel). Live 21. 12. Kulturbrauerei

■  Mutabor: „Das Blaue“ (Buschfunk)