amok? ich muss doch sehr bitten von WIGLAF DROSTE
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Junge Männer mit Testosteronüberschuss, übersteigertem Ehrgeiz und starken Bildungsdefiziten werden in Deutschland medial gern Poldi oder Schweini genannt. Zu einem solchen höchst zweifelhaften Heldenspitznamen wird es Bastian B. aus Emsdetten nicht bringen. Die Kampfsportart Amoklauf ist nicht so gut beleumundet wie das Rackern im Fußballverein oder in der Fußball-Nationalmannschaft. Beides hat mit Quälerei zu tun, aber das solitüde Amoklaufen hat es imagemäßig noch etwas schwer: Die Fernsehübertragungsrechte sind nicht geklärt, auch Werbepartner und Sponsoren halten sich spröde und zögerlich zurück und warten auf positive Signale.

Es muss also eindeutig etwas getan werden für das öffentliche Ansehen des Amoklaufs. Bastian B., der etwas pauschal, aber nicht ganz dumm „die Medien“ für den horriblen Geisteszustand der Welt verantwortlich machte, war kein guter Botschafter seiner Disziplin. Was hat der junge Mann falsch gemacht?

Wer einmal das münsterländische Emsdetten besuchte, könnte zu der Einsicht gelangt sein: Emsdetten an sich ist Grund genug, dass einer um sich schießt. Aber das kommt nicht gut an; zu viele Menschen in Deutschland leben in genau solchen mausetoten Kleinkaffhöllen, nennen sie Idylle und sind zutiefst schockiert, fassungslos und alles, wenn einer, der bei der Heileweltveranstaltung nicht erfolgreich mitmachen kann oder darf, nicht so mediterran entspannt reagiert, wie das für Deutsche seit der Fußball-WM 2006 ja Pflicht ist. Also gilt: In Reihenhausansammlungen wie Emsdetten wird nicht Amok gelaufen! Das macht man in Berlin oder anderen Verderbnispfuhlen, das können dann alle befriedigt abnicken und sagen: Großstadt, ja klar, da passiert so was, da sind ja alle krank, nicht so wie wir, die kerngesunden Kleinstädter, bramm bramm bramm.

Auch den Ort seiner Tat wählte Bastian B. denkbar ungünstig. An einer Geschwister-Scholl-Schule schießt man nicht! Das ist unethisch, geschichtslos und deshalb in besonders hohem Maße verwerflich. An einer Geschwister-Scholl-Schule schreitet man würdig, bescheiden und dezent im Gedenken an die Namensgeber. Eine Geschwister-Scholl-Schule ist ein moralisch hoch aufgeladener Ort – und Moral, wie man weiß, ist eine geeignete Imprägnierung gegen alles Böse. Diese Spielregel muss eingehalten werden, sonst kann man nicht mit Verständnis rechnen. Amokläufer haben gefälligst an einer Adolf-Hitler-Gesamtschule tätig zu werden, das sieht dann jeder ein.

Das ganze Gebaren des Bastian B. ist nicht geeignet, dem Amoklauf zu einem guten Ruf zu verhelfen. Gewaltvideos! Internet! Wie schäbig und gewöhnlich das schon klingt. Auch die schulischen Leistungen ließen sehr zu wünschen übrig, und dass die Mädchen nicht anbissen, macht Bastian B. auch nicht gerade zu einer positiven Identifikationsfigur. Alles Bradpitthafte ging ihm ab; für einen wie Bastian B. begeistern sich allenfalls Verlierer – Flaschen, wie er selbst eine war. Die werden zwar in ausreichender Menge produziert, sollten aber besser verhaltensunauffällig bleiben, damit alles in Butter ist. Positiv muss man auffallen, sonst bringt man es nicht zum Poldi oder zum Schweini.