Französische Richter heben Ruanda-Haftbefehle auf

JUSTIZ Mitstreiter von Ruandas Präsident Kagame nicht mehr wegen Flugzeugabschuss 1994 gesucht

Der französische Richter Bruguière hatte elementare Fehler begangen

BRÜSSEL taz | Die Krise zwischen Frankreich und Ruanda ist praktisch beigelegt. Sechs der neun Haftbefehle, die der französische Untersuchungsrichter Jean-Louis Bruguière 2006 wegen des Abschusses eines Flugzeuges mit Ruandas damaligem Präsidenten Juvénal Habyarimana an Bord über Kigali am 6. April 1994 erlassen hatte, wurden jetzt aufgehoben. Der Flugzeugabschuss gilt als Startschuss des Völkermordes an über 800.000 Ruandern, zumeist Tutsi, durch Armee und Hutu-Milizen in den Monaten darauf. Bruguière machte für den Abschuss Führer der Tutsi-Rebellenarmee RPF (Ruandische Patriotische Front) des heutigen Präsidenten Paul Kagame, die 1994 den Massakern ein Ende setzte, verantwortlich. Die RPF bestreitet dies, und Kagame brach 2006 deswegen die Beziehungen zu Frankreich ab.

Die zwei französischen Untersuchungsrichter Nathalie Poux und Marc Trévidic, die die Nachfolge Bruguières angetreten haben, trafen zwischen dem 5. und 15. Dezember in Burundi mit sechs der neun Verdächtigen zusammen: Ruandas Armeechef James Kabarebe, General Jack Nziza, Oberstleutnant Charles Kayonga, Major Jacob Tumwine, General Samuel Kanyemera und Oberst Franck Nziza. Sie teilten den sechs Ruandern mit, dass gegen sie ermittelt werde, informierten sie über ihre Rechte und hoben die Haftbefehle auf.

Der Schritt der französischen Richter war vorhersehbar und außergewöhnlich zugleich. Bruguière hatte bei seinen Ermittlungen elementare Fehler begangen: Er sammelte ausschließlich belastende Aussagen, ermittelte nicht am Tatort, informierte die von ihm Verdächtigten nicht darüber, was er ihnen zur Last legte, und ließ ihnen die Haftbefehle nicht zukommen, mit der Begründung, ihr Wohnsitz sei unbekannt. Zwei der Belastungszeugen haben ihre Aussagen seither zurückgezogen. Poux und Trévidic haben ihrerseits in Kigali ermittelt; die Ergebnisse davon liegen noch nicht vor.

Einer der neun Haftbefehle, gegen die ruandische Protokollchefin Rose Kabuye, wurde bereits 2009 ausgesetzt. Bleiben zwei eher unwichtige: gegen Kaporal Eric Hakizimana, inzwischen vermisst, und gegen General Faustin Kayumba Nyamwasa, der mit Kagame gebrochen hat und im südafrikanischen Exil lebt. FRANÇOIS MISSER