Ukrainische Nuklearexperten warnen vor US-Brennstäben

ATOMKRAFTWERKE Mangelhafte Qualität könnte in der Ukraine zu Sicherheitsproblemen führen

ODESSA taz | Ukrainische Atomwissenschaftler haben den fortgeführten Einsatz von US-amerikanischen Atombrennstäben in ukrainischen Atomkraftwerken kritisiert. Die Entscheidung, statt russischen Atombrennstoffes verstärkt US-amerikanische Brennstäbe der Firma Westinghouse einzusetzen, sei nicht technisch, sondern politisch motiviert, erklärte der ukrainische Atomwissenschaftler Michael Umanjez, Berater des Generaldirektors des Nationalen Wissenschaftlichen Zentrums am Charkower Physisch-Technischen Institut, nach Angaben des ukrainischen Internetportals ibra.com. ua.

„Politisch motiviert“

Andere ukrainische Atomforscher schließen sich der Kritik an. Beim Vertrag mit Westinghouse habe man alle Warnungen der wissenschaftlichen Gemeinde in den Wind geschlagen, empört sich Oleg Zotejew, Dozent am Lehrstuhl für Atomenergie der nationalen polytechnischen Universität von Odessa. Bereits 2010 sei trotz Warnungen vor mangelnder Qualität eine Lieferung von amerikanischem Brennstoff für fünf ukrainische Atomkraftwerke vereinbart worden. „Im günstigsten Fall führt dies zu erschwerten Arbeitsbedingungen in den Atomkraftwerken, in denen der unausgereifte amerikanische Brennstoff eingesetzt werden soll“, sagte Zotejev. „Politisch motivierte Entscheidungen in der Atomwirtschaft können aber auch zu Havarien führen, die über eine bloße Abschaltung des Reaktors hinausgehen.“

Am 11. April war bekannt geworden, dass die ukrainische Atomenergiebehörde Energoatom, die für den Betrieb aller ukrainischer Atomkraftwerke zuständig ist, einen Vertrag mit dem US-Konzern Westinghouse über die Lieferung von Brennstäben bis 2020 verlängert hatte. Mit der Vertragsverlängerung hat sich die ukrainische Atomwirtschaft laut ibra.com.ua über ein Verbot der ukrainischen Atomregulierungsbehörde hinweggesetzt, die den Einsatz von Westinghouse-Brennstäben verboten hatte.

Das Verbot war 2012 verhängt worden, nachdem eine Überprüfung des Einsatzes dieses Brennstoffes am zweiten und dritten Block des Kraftwerkes Südukraine Mängel an den US-amerikanischen Brennstäben festgestellt hatte. 2013 habe es erneut Probleme mit den US-Brennstäben gegeben. In der Folge habe die ukrainische Atomenergiebehörde Energoatom für 800.000 Dollar einen Prüfstand für Prüf- und Diagnostikzwecke bei Westinghouse bestellen müssen.BERNHARD CLASEN