Großes Loch im Klingelbeutel

Weil den Kirchen immer weniger Kirchensteuern zur Verfügung steht, streichen sie ihre Angebote zusammen. Zudem sollen neue Finanzierungsmodelle wie Fundraising mehr Geld einbringen

VON MORITZ SCHRÖDER
UND BENJAMIN WASSEN

Die Jugendleiterin soll bleiben. Das Problem: Die evangelische Gemeinde in Essen-Königssteele hat kaum noch Geld – so wie die meisten katholischen und evangelischen Gemeinden im Land. „Wir versuchen, systematisch Spenden einzusammeln. Sonst ist es uns nicht möglich, die Jugendleiterin über 2007 hinaus zu halten“, erklärt Pfarrerin Hanna Mausehund. Für ihren Spendenaufruf hat die Gemeinde eine Internetseite gestaltet. Schon jetzt sei aber absehbar, dass die Spenden nicht ausreichen, um die Stelle komplett zu erhalten. „Im Moment läuft alles auf eine Halbierung der Stundenzahl hinaus, aber das ist für uns schon ein Erfolg“, so die Pfarrerin.

Weil zu wenig Geld da ist, muss die Essener Gemeinde auch einen Kindergarten dicht machen. Und dass, obwohl bislang 90 Prozent der Kosten direkt von der öffentlichen Hand finanziert wurden. „Die Schließung hat auch was damit zu tun, dass es weniger Kinder gibt“, erklärt Mausehund. Den Anstoß habe aber der Geldmangel gegeben.

Daher überlegen die Kirchen, wie sie ihre leeren Kassen wieder füllen können. Auf der Synode der westfälischen Landeskirche wurde vor kurzem sogar ein Beitrag für Rentner diskutiert. Die Idee: Rentner, die keine Kirchensteuer zahlen, sollen einen Extrabeitrag an die Landeskirche abdrücken. Die Entscheidung darüber hat die Synode aber vertagt. „Erst einmal wollen wir prüfen, welche anderen Finanzierungsmodelle es auf Gemeindeebene schon gibt“, sagt die Sprecherin der Westfälischen Landeskirche, Andrea Rose.

Eine solche neue Geldquelle könnte das Fundraising sein, zu Deutsch: Geldbeschaffung. In der westfälischen Landeskirche werden zur Zeit 24 Personen zu professionellen Fundraisern ausgebildet. Sie sollen lernen, systematisch Spenden einzuwerben, Sponsoren zu finden oder neue Modelle wie den Rentnerbeitrag zu entwickeln. Denn nur mit Kirchensteuern geht es nicht mehr, ist sich Präses Alfred Buß sicher: „Die Kurven zeigen dauerhaft nach unten. Um diese Entwicklung wenigstens teilweise auszugleichen, sind wir mehr und mehr auf andere Einnahmequellen angewiesen.“

Seit Jahren gehen die Kirchensteuereinnahmen zurück. Das liegt vor allem an der alternden Bevölkerung, sinkenden Mitgliederzahlen und der geringeren Einkommenssteuer, an die die Kirchensteuer gebunden ist. Darunter leiden besonders die Gemeinden im Ruhrgebiet. „Wir waren schon immer arg gebeutelt“, sagt Ulrich Lota, Sprecher des Bistums Essen. Denn immer mehr Menschen verlassen die strukturschwache Region. Und von den 930.000 Katholiken im Ruhrgebiet zahlt nur noch ein Drittel einen Beitrag. Daher musste das Essener Bistum dieses Jahr erstmals einen Kredit über 29 Millionen Euro aufnehmen. Und bis 2009 sollen im Haushalt 70 Millionen Euro eingespart werden.

Im kommenden Jahr wird das Essener Bistum 96 Gotteshäuser nicht mehr finanzieren können, das ist bundesweit die längste Streichliste. Die Gemeindeverbände im Kirchenbezirk werden bis 2008 komplett aufgelöst. Auch der katholische Sozialdienst Caritas leidet unter den sinkenden Zuschüssen der Kirche: „Wir werden demnächst bei unserem Angebot streichen müssen“, sagt Annette Schade vom Caritasverband in Bochum.

Bei der Evangelischen Kirche im Rheinland sanken die Steuereinnahmen seit 2000 um rund elf Prozent. „Wir beerdigen halt mehr Menschen, als wir taufen“, erklärt Jens Peter Iven, Sprecher der rheinischen Landeskirche. Zwar schlagen auch die Kirchenaustritte ins Kontor, aber sie nehmen deutlich ab. 2005 verließen noch gut 14.000 Mitglieder die Landeskirche, das sind aber 37 Prozent weniger als im Jahr 2000.

Ähnlich sieht es bei der Westfälischen Landeskirche aus. Um ihre Zukunft zu sichern, hat die Synode beschlossen, dass Pfarrer künftig nicht mehr in eine höhere Besoldungsgruppe wechseln können. Außerdem wird eine Vorruhestandsregelung eingeführt, um die Zahl der aktiven Pfarrer zu verringern.