Historischer Konflikt: Republik oder Monarchie

SPANIEN Nach dem Rücktritt des Königs: Welche Staatsform soll das Land annehmen? Zehntausende demonstrierten für die Republik

„Ich glaube, dass die Monarchie in Spanien eine große Mehrheit hinter sich hat“

REGIERUNGSCHEF RAJOY

AUS MADRID REINER WANDLER

„Spanien wird morgen republikanisch sein“, riefen am Montag Abend Zehntausende auf den Plätzen von 100 Gemeinden und Städten. Sie forderten – nur wenige Stunden nachdem König Juan Carlos zugunsten seines Sohnes Felipe abgedankt hatte – ein Referendum über die Frage Monarchie oder Republik. Die Kundgebungen waren spontan über Twitter und Facebook organisiert worden. Die Parteien links der sozialistischen PSOE, die Vereinigte Linke (IU), die grüne Equo und die bei den Europawahlen erfolgreiche neue Protestbewegung Podemos schlossen sich dem Aufruf an.

Die größte Kundgebung fand in Madrid statt. Dort füllte sich der zentrale Platz, die Puerta del Sol, wo einst am 14. April 1931 die Menschen den Sturz des Großvaters von König Juan Carlos und den Beginn der Zweiten Republik feierten. Die Polizei sprach von 20.000 Teilnehmern.

In Barcelona und im Baskenland nutzen die Demonstranten den Tag, um gegen die Monarchie und für die Unabhängigkeit ihrer Region einzutreten. Auch in Europa und in Nord- und Südamerika versammelten sich Spanier mit der rot-gelb-purpurnen Fahne der Republik. In weniger als 24 Stunden unterzeichneten über 200.000 Menschen eine Internetpetition für eine Volksabstimmung über die Monarchie.

„Ich bin voller Hoffnung, denn vielleicht werde ich noch eine Republik sehen, bevor ich sterbe“, erklärte der 62-jährige Vorsitzende der postkommunistische IU auf einer Pressekonferenz, auf der er eine Volksabstimmung über die zukünftige Staatsform Spaniens forderte. Pablo Iglesias, Politikprofessor und Sprecher der vor vier Monaten entstandenen Podemos („Wir können“) ging noch einen Schritt weiter. In Brüssel, wo er fortan einen Sitz einnimmt, bezeichnete er die Monarchie als „die Vergangenheit“ und beschuldigte das Königshaus, Teil der Korruption zu sein. „Wenn die Regierung glaubt, dass Felipe von Bourbon das Vertrauen der Bürger als Staatschef genießt, dann müssen sie das in einer Volksabstimmung überprüfen“, erklärte Iglesias. Auch in den Gewerkschaften wurden Stimmen zu Gunsten eines Referendums laut.

„Ich glaube, dass die Monarchie in Spanien eine große Mehrheit hinter sich hat“, entgegnete am Dienstag früh der konservative Regierungschef Mariano Rajoy unbeirrt. „Und wenn dies jemandem nicht gefällt, kann er eine Verfassungsreform planen.“ Sein Kabinett verabschiedete in einer Sondersitzung ein Gesetz, das am Dienstag im Eilverfahren mit den Stimmen der konservativen Partido Popular (PP) und der der sozialistischen PSOE durchs Parlament verabschiedet werden soll.

Änderungsanträge werden keine zugelassen. In der zweiten Monatshälfte soll der Kronprinz als Felipe VI. vor dem Parlament und dem Senat vereidigt werden.

Nach der Kabinettssitzung gab es keine Pressekonferenz. Der Inhalt des Gesetzes wird somit erst bekannt, wenn der Text den Parlamentariern vorliegt. Spaniens Presse spekuliert darüber, ob Ex-König Juan Carlos auch weiterhin rechtliche Immunität besitzt. Dies ist keine unwichtige Frage, denn schließlich laufen gegen seine Tochter und seinen Schwiegersohn Ermittlungen wegen Korruption.

Bei den Sozialisten stößt die Linie der Parteiführung, auch weiterhin ohne Wenn und Aber die Monarchie zu unterstützen, nicht nur auf Zustimmung. Die Parteilinke und die Sozialistische Jugend beteiligten sich an den Kundgebungen für ein Referendum. In Madrid endete die Protestveranstaltung um 23 Uhr mit einer großen Versammlung auf der Puerta del Sol. Danach zogen Tausende Menschen in Richtung Königspalast. Die Polizei riegelte das Gebäude weiträumig ab.