Symbolfigur der Wende mit eisernem Willen

TSCHECHIEN Der ehemalige Außenminister Jiri Dienstbier erlag am vergangenen Samstag im Alter von 73 Jahren in Prag einem Krebsleiden. Mit Hans-Dietrich Genscher „beendete“ er 1989 die Teilung Europas

PRAG taz | Er wird für immer derjenige bleiben, der den Käfig des Kommunismus aufgebrochen hat: Jiri Dienstbier. Am Samstag erlag der tschechische Journalist, Autor, Dissident und Politiker in Prag im Alter von 73 Jahren einem Krebsleiden.

Es war der 23. Dezember 1989, als Dienstbier, frischgebackener erster Außenminister der postkommunistischen Tschechoslowakei, mit seinem deutschen Amtskollegen Hans-Dietrich Genscher der Teilung Europas ihr symbolisches Ende setzte: In Waidhaus an der bayerisch-böhmischen Grenze zerschnitt er den Grenzzaun zwischen Ost und West.

Diese Aktion bedeutete auch einen tiefen Einschnitt in Dienstbiers Leben. Über Nacht wurde er, der sich wegen eines Berufsverbots seinen Lebensunterhalt als Heizer und Nachtwächter verdienen musste, ins Rampenlicht der hohen Politik katapultiert. Als langjähriger Redakteur des tschechoslowakischen Rundfunks war Dienstbier in den 60er Jahren als Korrespondent in den USA, Fernost und europäischen Ländern tätig gewesen.

Seine journalistische Karriere endete zwar mit der einsetzenden „Normalisierung“ im Juli 1969. Dienstbier hatte sich nach der gewaltsamen Zerschlagung des „Prager Frühlings“ im August 1968 klar auf die Seite der geschassten Reformer und gegen die sowjetische Okkupation gestellt. Sein journalistisches Know-how jedoch, gepaart mit dem Willen, sich nicht vom Regime brechen zu lassen, machte ihn, den Unterzeichner der Charta 77, in den 70er und 80er Jahren zum Sprecher und Verleger der Dissidentenbewegung.

Drei Jahre Haft, jahrzehntelanges Berufsverbot und eine Nonstop-Überwachung durch den tschechoslowakischen Geheimdienst waren der Preis, den Dienstbier zahlte. Trotzdem, so erinnern sich Kollegen aus dieser Zeit, seien Dienstbiers gute Laune und sein oft sarkastischer Humor stets ansteckend gewesen.

Dienstbier war ein Mensch, der sich nicht manipulieren ließ, weder vom kommunistischen Regime noch von der politischen Macht. Ob Außenminister, Senator, UNO-Berichterstatter oder Träger internationaler Auszeichnungen (u. a. des Großen Bundesverdienstkreuzes) – Dienstbier blieb einer der wenigen tschechischen Exdissidenten, die nicht zu Politbonzen wurden. Im parteipolitischen Haifischbecken Tschechiens blieb Dienstbier ein Außenseiter. Zumindest erhielt er sich so seine Würde.

SASCHA MOSTYN