Die Weser ist ein ruhiger Fluss

LICHTKUNST Yann Kersalé, Star der internationalen Illuminatoren-Szene, hat den Weser-Tower mit lila Lämpchen behängt, die bei Wind und Wellen flimmern

Zur Kunstübung werden Illuminationen im absolutistischen Frankreich. Zugleich führt

■ ein Erlass, den „Weg des Königs durch die Stadt [Paris] mit Laternen zu erhellen“ ab 1659 zur Nivellierung des Privilegs durch Verstetigung der Beleuchtung: Schon 1729 hat Paris erstaunliche 5.772 feste Straßenlaternen, an der während der Revolution Aristokraten gelyncht werden.

■ Seit Ende des 20. Jahrhunderts reaktiviert Architektur die Illumination zur Betonung von Distinktion: „Ich streite vor allem dafür“, so Kersalé, „dass es die feinen Unterschiede (distinction) weiter gibt“.

Auf jeden Fall ist es ein Kunstwerk mehr in Bremen, umsonst und draußen: Yann Kersalé illuminiert seit Dezember den Weser-Tower in der Überseestadt. Illuminationen – also: Bauwerke mit farbigen Lampen nachts bunt schillern zu lassen, war als Kunstpraxis das 19. Jahrhundert über etwas aus dem Fokus geraten. Im Expressionismus gab’s dann kurz eine entsprechende Mode. Richtig fest etabliert hat sich das Genre allerdings erst wieder seit Mitte der 1980er-Jahre, architekturbedingt und ausgehend zumal vom Kreativ-Zentrum Paris.

Der dort 1955 geborene Kersalé gehört zweifellos zu den Pionieren und Stars dieser Szene. Mit dem weltweit wiederum die Größen des Architektur-Betriebs kooperieren: Er hat dafür gesorgt, dass Jean Nouvels Riesendildo von Barcelona, die Torre Agbar, nachts blau und rot anläuft. Auch Rudy Ricciottis Fußgängerbrücke des Friedens, die von Seoul einen eleganten Bogen über den Han auf die Insel Seounyudo schlägt, strahlt seinetwegen in der Finsternis blau und gelb. Und ebenfalls aus Kersalés Werkstatt stammen die Effekte am Berliner Sony-Center.

Helmut Jahn hat den Kuppelbau am Potsdamer Platz entworfen, derselbe Architekt, der für den Weser-Tower in der Übersee-Stadt verantwortlich zeichnet. Und auch hier hat er mit Kersalé zusammen gearbeitet. Man muss schon sagen, auf dem Papier ist das eine beeindruckende Reihe. Aber eben nur auf dem Papier. Denn das Werk selbst bleibt fragwürdig – auch jenseits aller gebotenen Skepsis einer Kunstform gegenüber, die heute Konzernbauten ins rechte Licht rückt, so wie einst die Schlösser und Gärten absoluter Herrscher. „La lumière source“ – also: Das Licht als Quelle – ist kaum mehr, als ein lila Leuchten, das im Dunklen über die Fensterfront fließt.

Wobei fließen sich schon stark auf die Künstler-PR einlässt: Einen „vertikalen Fluss“ nennt Kersalé selbst die Büroturmbespielung, weil sie ihren Rhythmus aus den Bewegungen der Weser bezieht: Ebbe, Flut und Wellengang werden videografiert und live per Computer in LED-Impulse übersetzt. Ziemlich ausgefuchst. Und ziemlich aufwändig.

Trotzdem bleibt das Ergebnis eher kläglich: Wenn’s windet, flimmert’s hektisch. Darüber hinaus lässt sich nun abends am höchsten Bürogebäude der Stadt nur ablesen, dass die Weser ein ziemlich ruhiger Fluss ist, nett um im Sommer dranzusitzen, und auf wohltuende Weise unspektakulär. Aber auch ein bisschen langweilig. BES