Betr.: Verleihung des Hannah-Arendt-Preises

Julia Kristeva gehört zu den Wegbereiterinnen einer postmodernen Sprachtheorie. Auf der Grundlage der strukturalistischen Vorväter entwickelt sie einen komplexen Ansatz, der auf Sprache, Psychoanalyse und Politik gleichermaßen übertragen werden kann. Im Zentrum ihrer Theorie steht der Dualismus von symbolisch und semiotisch. Kristeva geht es darum, die starre Trennung zu relativieren. Entscheidend an der Teilung von symbolisch und semiotisch ist nämlich der übergang, die Verbindung zwischen beiden. In der Sprache entsteht durch den Ausbruch des Semiotischen im Symbolischen der Sinngebungsprozeß; in der Psychoanalyse wird durch den Einfluß des Mütterlichen (Semiotischen) in die symbolische Männerwelt die ganzheitliche menschliche Entwicklung forciert und in der Politik wird der Einbuch des Fremden (Semiotisches) in das nationale Verständnis zur Revolte. Ihre Schriften zur Linguistik und zur Sprache prägten die poststrukturalistische Diskussion mit, vor allem durch ihre Mitarbeit an der literaturkritischen Zeitschrift Tel Quel. Beeinflusst wurde sie dabei u.a. von der Freudschen und Lacanschen Psychoanalyse und dem Hegelianismus. Neben ihrer Forschungstätigkeit hat Kristewa eine Reihe von Romanen veröffentlicht. Schon in den frühen 1970ern problematisierte Kristewa die weibliche Identität im Patriarchat. Wegen ihrer Nähe zur Psychoanalyse wurde Kristewa aber von Teilen der feministischen Literaturwissenschaft kritisiert. In jüngerer Zeit hatten ihre Arbeiten Einfluss auf die Theorien der Gender Studies, wobei sie aber das Etikett „feministisch“ von sich wies. Foto: Archiv