In Tunesien droht der Showdown

TUNESIEN Proteste gehen weiter, massives Sicherheitsaufgebot in Tunis vor angekündigtem Generalstreik. Menschenrechtsorganisation: bisher 66 Tote

TUNIS taz | Nach einer leichten Entspannung in Tunesien hat sich die Lage in der Hauptstadt Tunis gestern erneut zugespitzt. In Erwartung eines für den heutigen Freitag angekündigten Generalstreiks zog die Polizei Sondereinheiten im Stadtzentrum zusammen. Schützenpanzer wurden vor dem Innenministerium stationiert, die Kathedrale wurde mit Stacheldraht abgesperrt, Hundertschaften in Kampfausrüstung mit Knüppeln, Schilden, Tränengas und Gummigeschossgewehren zogen vor Banken und in Seitenstraßen auf. Zivilpolizisten in schwarzer Jacke und mit Sonnenbrillen, manche mit Knüppeln, andere mit Kameras, haben die Innenstadt praktisch besetzt. Die wenigen ängstlichen Passanten versuchten sich derweil vor Beginn der Ausgangssperre um 19 Uhr in Sicherheit zu bringen.

Am späten Mittwoch hatte Tunesiens Präsident Zine El Abidine Ben Ali durch die Entlassung seines Innenministers und eine Anweisung an die Sicherheitskräfte, keine Gewalt anzuwenden, den Eindruck einer Entspannung erweckt. Die tunesische Presse berichtete gestern erstmals offen von der anhaltenden Gewalt im Land. Gestern kam es aber in zahlreichen Städten, auch in Tunis, zu erneuten massiven Demonstrationen und Auseinandersetzungen. In der südtunesischen Stadt Sfax zogen während eines Generalstreiks über 10.000 Menschen durch die Innenstadt und forderten den Rücktritt von Präsident Ben Ali.

„Wir haben keine Angst mehr“, erklärten Demonstranten in Tunis gegenüber der taz. Die Menschenrechtsorganisation FIDH sprach von 66 Toten seit Beginn der Proteste. RW

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