Energiesparen für Arme

ABWRACKPRÄMIE 150 Euro können Empfänger von Arbeitslosengeld II beim Kauf eines modernen Kühlschranks erhalten. Von Niedersachsens Landesarmutskonferenz kommt Kritik

VON JOACHIM GÖRES

Seit Anfang April bekommen einkommensschwache Haushalte 150 Euro, wenn sie ihren stromfressenden, mindestens zehn Jahre alten Kühlschrank oder Gefrierschrank stilllegen und dafür ein neues Gerät der Effizienzklasse A+++ kaufen. Bis Ende 2015 will das Bundesumweltministerium mit dieser besonderen Abwrackprämie den Austausch von 16.000 Geräten mit insgesamt 2,4 Millionen Euro fördern.

Osnabrück gehört zu den rund 80 Landkreisen und Kommunen in Deutschland, wo Menschen mit wenig Geld so einen Zuschuss für ein modernes Gerät bekommen. „Bislang hat das noch niemand in unserer Region genutzt“, sagt Ralf Chojetzki von der Caritas Arbeits- und Dienstleistungsgesellschaft, die in Osnabrück für den Kühlgerätetausch zuständig ist. „Wenn man von einem Neupreis von mindestens 400 Euro plus Versandkosten ausgeht, bleibt die Restsumme ja immer noch hoch. Die finanzielle Lage ist für die Betroffenen arg knapp.“

Chojetzki ist Projektleiter für den Stromspar-Check, bei dem sich Empfänger von Arbeitslosengeld II (ALG II), Sozialhilfe oder Wohngeld seit fünf Jahren kostenlos zum Thema Energiesparen beraten lassen können. Bei diesem vom Caritasverband und vom Bundesverband der Energie- und Klimaschutzagenturen an bundesweit 150 Standorten organisierten Programm notieren und analysieren speziell geschulte Langzeitarbeitslose vor Ort den Strom- und Wasserverbrauch und geben Energiespartipps.

„Wir haben bislang 2.000 Haushalte beraten“, sagt Chojetzki. „Man muss viel Werbung für den Stromspar-Check machen, denn viele Menschen sind unsicher, was das ganze soll und wer da zu ihnen nach Hause kommt.“ Pro Haushalt werden bei der Beratung Energiesparlampen, schaltbare Steckdosenleisten und Wasserstrahlregler im Wert von durchschnittlich 70 Euro kostenlos verteilt. Derzeit sind in und um Osnabrück sechs der bundesweit 900 befristet eingestellten Energieberater tätig.

Das Freiburger Öko-Institut begrüßt die Abwrackprämie. „Zehn Prozent des Energieaufwands entfällt auf die Produktion eines Kühlschranks, 90 Prozent auf die Nutzung“, sagt Dietlinde Quack, Leiterin der Kampagne Eco-Top-Ten. Sie würde sich wünschen, dass beim Kauf eines neuen Geräts auch die Energiekosten genannt werden müssen.

Auch Nicola Buskotte, Sprecherin der Bundesarbeitsgemeinschaft Integration durch Arbeit, verweist auf die positiven Effekte: Durch die Beratung und Umstellung spare jeder Teilnehmer im Jahr durchschnittlich 140 Euro für Strom und Wasser, zudem werde das klimaschädliche Kohlendioxid im selben Zeitraum pro Haushalt um 300 Kilo reduziert. Auch Bund und Kommunen, die für Bezieher von Sozialhilfe und ALG II die Kosten für Heizung und Wasser übernehmen, sparten elf beziehungsweise 14 Millionen Euro.

Meike Janßen, Sprecherin des Landesarmutskonferenz Niedersachsen, kritisiert dagegen das derzeitige Verfahren: „Bei der ganzen Aktion schwingt mit, dass arme Menschen nicht haushalten können und man ihnen nur zeigen muss, wie sie ordentlich sparen können, damit sie mit den Hartz-IV-Regelsätzen auskommen. Das stimmt natürlich nicht.“ So bekommt derzeit ein Bezieher von Arbeitslosengeld II bei der Erstausstattung seiner Wohnung 50 Euro für einen Kühlschrank. „150 Euro als zusätzliche Prämie sind da nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Entscheidend ist, dass die Regelsätze erhöht werden, damit sich Menschen die Anschaffung verbrauchsarmer Geräte leisten können“, sagt Janßen, Abteilungsleiterin Sozialpolitik beim Landesverband Niedersachsen des Sozialverbandes Deutschland, und ergänzt: „Grundsätzlich ist die Prämie eine gute Idee, aber die müsste für jeden Interessierten angeboten werden.“

In Bremen bietet die Waller Beschäftigungs- und Qualifizierungsgesellschaft den Stromspar-Check seit 2009 an. Vom Kühlschranktausch lässt man dort derzeit noch die Finger – zunächst werden weitere Geldgeber gesucht, die die Prämie aufstocken. „Man muss Menschen mit wenig Geld mehr als 150 Euro anbieten, wenn sie sich einen teuren Kühlschrank kaufen sollen“, sagt Projektleiter Thomas Gnutzmann.

Außer in Osnabrück gibt es die Abwrackprämie zusammen mit einer kostenlosen Energieberatung im Norden in Hamburg, Bremerhaven, Braunschweig, Lübeck, Kiel, Lingen, Lüneburg, Hildesheim, Hannover, Peine, Hameln-Pyrmont und Schwerin (genaue Adressen unter www.stromspar-check.de)