Zellulose unter Pfannen

SANIERUNG In Ratzeburg hat eine Vermieterin ein altes Waldarbeitergehöft zum Niedrigenergiehaus saniert – und sein Aussehen dabei erhalten. Ein Besuch vor Ort

„Die Sanierung hat fünf Jahre gedauert und rund 230.000 Euro gekostet – so viel wie ein Neubau. Aber es war die Mühe wert“

Eugenie Schulze-Frenking, Vermieterin

AUS RATZEBURG GORDON BARNARD

Es ist ein bizarrer Kontrast, der einen nach knapp fünf Minuten Autofahrt vom Ratzeburger Bahnhof erwartet: Auf der rechten Straßenseite liegt ein Neubaugebiet – am Reißbrett angelegt. Links der Straße hingegen liegt ein 100 Jahre altes Waldarbeitergehöft. Doch trotz seines Alters benötigt das Gehöft weniger Energie als die Neubauten gegenüber. Eugenie Schulze Frenking, die Vermieterin, hat das 1906 erbaute Gebäude grundsaniert. „Es hat fünf Jahre gedauert und rund 230.000 Euro gekostet – so viel wie ein Neubau“, sagt sie. „Aber wegen der Naturlage war es die Mühe wert.“

Ratzeburg ist Luftkurort und liegt im Naturpark Lauenburgische Seen. Kein Wunder also, dass rund 100 Meter von einem solchen See entfernt das Niedrigenergiehaus in einer Waldlichtung liegt. Als das Haus erbaut wurde, habe man den Waldarbeitern zwar wenig Lohn gezahlt, ihnen dafür aber Land zu Verfügung gestellt. Dazu gehörten auch Kühe, Pferde und Schweine, so dass die Arbeiter sich selbst versorgen konnten, erklärt Schulze-Frenking, die selbst in der ehemaligen Scheune nebenan wohnt.

Dem Gehöft sieht man auf den ersten Blick nicht an, dass es energiesparend ist. Nachdem die Wände von außen mit Zellulose gedämmt wurden, hat man die Fassade wieder mit Pfannen aus der Entstehungszeit des Hauses verkleidet. Unter den Pfannen befindet sich zusätzlich eine wasserdichte Schicht – das sei allerdings nur bei der Vorder- und Rückwand des Hauses möglich gewesen, sagt die Vermieterin. Für die Fachwerkseiten musste man sich andere Lösungen überlegen. „Fachwerk lässt sich nicht einfach so abtragen. Deswegen haben wir hier zur Dämmung von innen Multipor verwendet“, so Schulze-Frenking. Multipor ist ein Mineralschaum aus Sand, Kalk, Zement und Wasser, der vollkommen recycelbar ist. Er gibt bei warmer Luft Feuchtigkeit ab und nimmt sie bei kalter gut auf. „Dadurch wird das Fachwerk nicht von der inneren Feuchtigkeit angegriffen“, sagt die Vermieterin.

Das Haus hat auf einer Giebelseite ein klassisches Walmdach, als Ersatz für den Giebel hat es jedoch an allen Seiten Schrägen. Dadurch gäbe es weniger Fläche, die von kaltem Wind berührt wird. Auch das Aussehen des alten „Hexenschornsteins“ hat Schulze-Frenking wahren können, indem sie ihn mit Ziegeln bemauern ließ, die denen aus der Erbauungszeit ähneln.

Im Innern der 100 Quadratmeter großen Wohnung wurden die Wände mit Lehm verputzt. Das sei ideal, weil Lehm nicht nur Feuchtigkeit aufnimmt und abgibt, sondern auch ein gesundes Raumklima schaffe, so die Vermieterin. An vielen Stellen im Haus finden sich noch alte Holzbalken oder kleine Fachwerkreste. Selbst an den Fenstern gibt es noch alte Ruderstangen aus schwarzverzinktem Eisen, der Fensterrahmen ist aus Lärchenholz. Um die Wärme innen zu halten, bestehen die Fensterscheiben aus Isolierglas. Die Außenrahmen der Fenster gleichen jedoch dem ursprünglichen Rahmen von 1906.

Im Flur und im Bad des Hauses hat Schulze-Frenking für die Wände Kalkputz verwendet. „Lehm wäre hier zu empfindlich gewesen“, sagt sie. Das Badezimmer war früher nämlich der Schweinestall des Gehöfts und die Wände sind dementsprechend sensibel.

Besonders schwierig gestaltete sich die Sanierung des Dachs: Die Dachsparren des Hauses führten über die Wand hinaus nach draußen – für eine gute Dämmung ein großes Hindernis, weil die Balkenteile im Freien sich bis in den Innenraum hin abkühlen. Schulze-Frenking hat die Dachsparren daher ein Stück gekürzt und sie auf den Mauern neu aufgesetzt. Durch diese Änderung und die Dämmung ist das Haus nun rund 30 Zentimeter höher als zuvor.

Zur Regulierung der Luftfeuchtigkeit im Haus hat die Vermieterin eine Lüftungsanlage einbauen lassen. Es gibt drei Abzugsstellen – in den zwei Bädern und der Küche – sowie einen kleinen Lufteingang in jedem Zimmer.

Das Resultat all dieser Sanierungsarbeiten: Der Heizbedarf des Hauses liegt bei 1.400 Liter im Jahr, das entspricht Heizkosten von etwa 800 Euro jährlich. „Das ist ungefähr so viel, wie ein neu gebautes Niedrigenergiehaus benötigt“, sagt Schulze-Frenking.