Terrorangriff verwüstet Stadt

KENIA Fast 50 Tote bei Überfall von Bewaffneten auf Kleinstadt nahe der Touristengebiete am Meer. Somalische Shabaab-Miliz im Verdacht

Die Shabaab warnten, sie würden den heiligen Krieg nach Uganda und Kenia tragen

VON DOMINIC JOHNSON

BERLIN taz | Beim blutigsten Angriff mutmaßlicher Islamisten in Kenia in diesem Jahr sind in der Nacht zum Montag nach amtlichen Angaben 48 Menschen ums Leben gekommen. Die Kleinstadt Mpeketoni, die zum Distrikt der Touristenhochburg Lamu im Osten des Landes gehört, aber selbst kein Tourismusziel ist, wurde am späten Sonntagabend von rund 50 Bewaffneten überfallen, die auf zwei bis drei Minibussen hereingefahren waren. Wie Kenias führende Tageszeitung Daily Nation berichtet, gingen zwei Hotels, in denen sich lokale Bewohner für die Fußball-Weltmeisterschaft versammelt hatten, in Flammen auf. Zahlreiche Menschen seien durch Kopfschüsse getötet worden, hieß es weiter.

Angezündet wurden auch eine Polizeistation sowie weitere Gebäude in der Stadt rund 100 Kilometer südwestlich der somalischen Grenze. 20 Autos brannten aus, erklärte Kenias Innenminister Joseph Ole Lenku am Montag. Die Angreifer seien nach „schweren Schusswechseln“ mit der Polizei in einen Wald geflüchtet. Auch viele Stadtbewohner verbrachten den Rest der Nacht aus Angst außerhalb der Stadt im Busch.

Die genaue Identität der Täter blieb auch am Montag unklar. Augenzeugen zufolge kamen sie mit der schwarzen Flagge der radikalislamistischen Shabaab-Miliz aus dem benachbarten Somalia, aber anders als sonst übernahm die Shabaab-Miliz keinerlei Verantwortung. „Sie schrien auf Somalisch“, wurden Augenzeugen zitiert. Sie waren außergewöhnlich gut ausgerüstet und zogen sich nach rund fünf Stunden ohne ein einziges Opfer in den eigenen Reihen zurück.

Ihre Minibusse wurden später ausgebrannt etwa 20 Kilometer außerhalb von Mpeketoni gefunden, berichtete der TV-Sender KTN. Die Armee setzte Hubschrauber in Bewegung, um die Angreifer zu suchen – ein hoffnungsloses Unterfangen in der dichten Savanne der Gegend.

Der Polizeichef von Mpeketoni, Hamaton Mwalliko, sagte, die Busse seien ursprünglich in der Stadt Witu gestohlen worden. „Wir werden die Täter jagen“, versprach Kenias Innenminister Lenku am Montag vor Journalisten in Nairobi. Die Terroristen hätten eine „rote Linie“ überschritten. In ganz Kenia seien die Sicherheitsmaßnahmen verschärft worden. „Die Politiker werden hiermit gewarnt, von der Aufwiegelung der Bevölkerung abzusehen“, fügte er hinzu, ohne zu sagen, was er meinte. In einigen Berichten war davon die Rede, dass die Regierung jetzt die Opposition um den früheren Premierminister Raila Odinga im Visier haben könnte.

Kenia sieht sich als Frontstaat gegen Somalia, seit es 2012 seine Armee ins Nachbarland schickte, um die islamistische Shabaab-Miliz zu bekämpfen. Am 21. September 2013 überfielen Shabaab-Terroristen das Westgate-Einkaufszentrum in Kenias Hauptstadt Nairobi und töteten 67 Menschen. Die Täter sind bis heute nicht gefasst.

In der Region Lamu wurden am 26. Mai zwei kenianische Soldaten bei einem Überfall auf einen Armeekonvoi getötet. Wenige Tage zuvor hatte der somalische Shabaab-Anführer Fuad Mohamed Khalaf (Fuad Shongole) in einer Radiobotschaft angekündigt, der heilige Krieg werde jetzt erst nach Uganda und Kenia getragen „und danach, so Gott will, nach Amerika“. Die Regierungen Kenias und Ugandas hatten daraufhin vor verstärkter Anschlagsgefahr während der laufenden Fußball-WM gewarnt.