Roma-Junge halb totgeschlagen

FRANKREICH Der Versuch eines Lynchmordes an einem 16-Jährigen in einem Pariser Vorort wegen angeblichen Diebstahls erschüttert die Republik. Polizei will nach Tätern suchen

AUS PARIS RUDOLF BALMER

Eine brutale Attacke auf einen Roma-Teenager hat Frankreich in Aufregung versetzt und die Politik auf den Plan gerufen. Der französische Präsident François Hollande nannte den Angriff am Dienstag „entsetzlich und durch nichts zu rechtfertigen“. Es müssten alle Anstrengungen unternommen werden, um die Täter zu finden.

Am Freitag waren rund ein Dutzend Menschen in ein Roma-Lager in Pierrefitte-sur-Seine gegangen, nachdem eine Wohnung ausgeraubt worden war, wie ein Polizeisprecher sagte. Sie hätten dort einen Teenager, den sie für den Täter gehalten hätten, bis zur Bewusstlosigkeit geschlagen. Die Polizei habe das Opfer schließlich auf einer Straße bewusstlos und schwerverletzt in einem Supermarkt-Einkaufswagen entdeckt. Der junge Mann namens Darius sei ins künstliche Koma versetzt worden, da er große Schmerzen gehabt habe.

Überraschend ist nicht nur, dass dies alles erst mehrere Tage danach bekannt wird, sondern auch die späte Reaktion der Behörden. Am Dienstag waren die Angehörigen von Darius aus dem Camp verschwunden und konnten nicht mehr zu ihrer Version befragt werden. Der Bürgermeister von Pierrefitte-sur-Seine, Michel Fourcade, scheint darüber erleichtert zu sein. Er bestätigte vor Journalisten, dass sich die Einwohner mehrfach über die Roma-Familien beschwert hätten, die sich vor etwa drei Wochen am Rande ihres Viertels angesiedelt hatten. Namentlich habe es eine Reihe von Diebstählen gegeben. Der junge Darius sei mehrmals wegen kleiner Diebstähle von der Polizei festgenommen worden. Er hat aber keine Vorstrafen. Wegen der Lynchaktion gegen ihn ist bis gestern niemand angezeigt oder verhaftet worden.

Dabei soll es aber nicht bleiben. Das hat Innenminister Bernard Cazeneuve versichert. Den Einwohnern von Pierrefitte-sur-Seine und anderen Quartieren, wo es Spannungen mit Roma und Obdachlosen gibt, rief er in Erinnerung, es sei „ausschließlich Sache der Sicherheitsbehörden, für Ordnung zu sorgen“. Am Dienstag hat dann auch Staatspräsident François Hollande seine Missbilligung der „unsäglichen Aktionen“ geäußert.

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