Ein Bettelverbot für Roma

NORWEGEN Eine Mehrheit befürwortet ein Bettelverbot im reichsten Land Europas. Rassistische Töne sind in diesem Zusammenhang unüberhörbar

■ Der Imam der größten sunnitischen Moschee Norwegens ist auf seinem Heimweg von einem Unbekannten attackiert und verletzt worden. Der Angreifer war am Dienstag noch flüchtig, wie die Polizei berichtete. Der Täter sei am späten Montagabend mit einer kleinen Axt oder einem Messer auf den Imam losgegangen, erzählte ein Zeuge der Tageszeitung Aftenposten. Der über 60-jährige Imam sei operiert worden, sein Zustand stabil, hieß es. Laut Krankenhaus wurde der Mann im Gesicht und an den Händen verletzt. Der Vorsitzende der Moschee sagte dem norwegischen Rundfunk, er sei geschockt, wisse aber nichts von Drohungen gegen den Imam. Die Polizei sucht mit Hilfe von Aufnahmen aus Sicherheitskameras nach dem Täter. Die Moschee war 1977 gebaut worden. Die Gemeinde zählt etwa 5.000 Mitglieder und war ursprünglich eine Anlaufstelle für pakistanische Einwanderer der ersten Generation. (dpa)

VON REINHARD WOLF

STOCKHOLM taz | In Oslo regiert seit Herbst letzten Jahres eine Rechtskoalition unter Beteiligung der ausländerfeindlichen Fortschrittspartei. Und die setzt deutliche Zeichen in der Politik des Landes. Am Montag debattierte das Parlament eine Gesetzesinitiative des Justizministers Anders Anundsen von der Fortschrittspartei. Er will ein Bettelverbot einführen. Eine Mehrheit dafür dürfte sicher sein. Einzelne Kommunen können schon in diesem Sommer über Gemeindeverordnungen ein solches Verbot erlassen, auf nationaler Ebene soll es ab 2015 gelten.

Befürworter des Verbots sind der Ansicht, dass Norwegen wegen seines Wohlstands das attraktivste Land für Bettelei in Europa geworden sei. Dabei werden zweifelhafte Statistiken bemüht, die einen Zusammenhang zwischen Bettelei und Kriminalität beweisen sollen. GegnerInnen meinen, dass ein Verbot die Kriminalität erhöhen werde und dieses praktisch schwer durchgesetzt werden könne. Dürfe dann auch die Heilsarmee nicht mehr mit ihren Sammelbüchsen klimpern?

„Man kann ein grundlegendes soziales Problem nicht mit Verboten lösen“, sagt der stellvertretende Vorsitzende der oppositionellen Linkssozialisten Bård Vegar Solhjell. Der norwegische Arbeitsmarkt rufe nach wie vor nach Arbeitskräften, und über Sprachunterricht und Ausbildungsangebote könne man viele von denen, die jetzt betteln, integrieren.

Kritisiert wird aber vor allem, dass das Bettelverbot diskriminierend und letztendlich ein Ausdruck von Rassismus sei, weil es sich gezielt gegen eine ethnisch definierbare Menschengruppe richte. „Wer sitzt denn mit Plastikbechern auf dem Bürgersteig“, fragt beispielsweise Smaalenenes, die Lokalzeitung des südnorwegischen Askim: „Das sind Roma.“ Ein gefährlicher Präzedenzfall werde da geschaffen, warnt das Blatt und fragt: „Welche nationalen und internationalen Proteste würde es wohl geben, wenn so ein Gesetz Juden treffen würde?“ Der Vergleich mit Juden wird in diesen Tagen oft gezogen, und das nicht von ungefähr.

„Welche Proteste würde es wohl geben, wenn so ein Gesetz Juden treffen würde?“

LOKALZEITUNG „SMAALENENES“

Die Diskriminierung aufgrund von Rasse oder Religion hat eine lange, traurige Geschichte in Norwegen. Beispielsweise war mit dem Argument, es würde ansonsten eine jüdische Masseneinwanderung drohen und diese könne das norwegische Gesellschaftssystem unterhöhlen, in der ersten Verfassung des norwegischen Königreichs von 1814, deren 200-jähriges Jubiläum in diesem Jahr gefeiert wird, ein absolutes Einreiseverbot für Juden sogar verfassungsrechtlich verankert worden.

Norwegen hatte schon einmal ein Bettelverbot, das bis 2006 im „Landstreichergesetz“ aus dem Jahre 1900 enthalten war und ebenfalls vor allem auf Roma zielte. In der seinerzeitigen Debatte war dieses Gesetz von einer breiten Parlamentsmehrheit als nicht mehr zeitgemäß, diskriminierend, rassistisch und wirkungslos bewertet worden: Das Gesetz beruhe auf einem Menschenbild, das man in Norwegen längst überwunden habe.

Wie anders als einen gewaltigen juristischen und sozialen Rückschritt könne man vor diesem Hintergrund das jetzige Bettelverbot verstehen, kommentiert die konservative Aftenposten und fragt, ob das reichste Land Europas wirklich die Bitte Bedürftiger um Hilfe kriminalisieren wolle. Die Zeitung erinnert daran, dass Bettelei durch Einheimische nie als Problem gesehen wurde. Erst seit die meisten Bettler aus dem Ausland kämen, sei der Ruf nach dem Gesetzgeber laut geworden. Laut Meinungsumfragen bejaht etwa die Hälfte der NorwegerInnen die Einführung eines Bettelverbots, nur ein Viertel lehnt es ab.