Dutschke verwirrt die SPD

Die SPD Friedrichshain-Kreuzberg unterstützt nun doch die Umbenennung der Koch- in Rudi-Dutschke-Straße. Ihre Partei werde sich in den Straßenkampf stürzen, sagt die Bezirkschefin. Nur ihr Fraktionschef im Bezirksparlament weiß davon noch nichts

Von Sebastian Kretz

Rudi Dutschke bringt die SPD gehörig durcheinander. Plötzlich sind zumindest einige Genossen aus Friedrichshain-Kreuzberg dafür, dass Teile der bisherigen Kochstraße nach dem Wortführer der Studentenbewegung benannt wird. „Natürlich haben wir eine Position: Wir sind für die Rudi-Dutschke-Straße“, sagt Bezirksvorsitzende Silke Fischer.

Im Sommer 2005 hatte die SPD-Fraktion im Bezirksparlament noch gegen die Umbenennung gestimmt. Als die CDU Anfang 2006 ein Bürgerbegehren startete, hatten die Sozialdemokraten sich aus der Diskussion zurückgezogen. Jetzt steht die Abstimmung bevor: Am 21. Januar entscheiden Kreuzberger und Friedrichshainer über die Umbenennung.

Doch so klar ist die SPD-Linie nicht, vielmehr geht es drunter und drüber. Während die Sozialdemokraten laut Fischer vorhaben, Friedrichshainer und Kreuzberger auf der Straße zu überzeugen und sich mit mit Infoständen „aktiv“ an dem beginnenden Straßenkampf zu beteiligen, sagt Andy Hehmke, der Fraktionsvorsitzende der SPD im Bezirksparlament: „Es sind keine konkreten Aktionen geplant.“ Die Mehrheit der BVV-Mitglieder sei zwar für die Umbenennung, das seit Dezember 2004 andauernde Verfahren halte er jedoch für „unwürdig“. Hehmke: „Die zwei Jahre hätte man sich sparen können.“

Die taz hatte vor zwei Jahren vorgeschlagen, die Straße im alten Zeitungsviertel nach dem Wortführer der Studentenbewegung zu benennen. Bald hatten alle Parteien eine Position: Die PDS übernahm die Initiative und brachte sie als Eilantrag in die Bezirksverordnetenversammlung (BVV) Friedrichshain-Kreuzberg ein. Die Grünen schlossen sich an, die CDU war dagegen.

Nur die SPD wollte sich schon damals nicht so recht entscheiden. Zwar war der damalige Bildungssenator Klaus Böger für eine Umbenennung, ebenso die Senatorin für Stadtentwicklung, Ingeborg Junge-Reyer. Die SPD Friedrichshain-Kreuzberg knüpfte ihre Zustimmung im Bezirksparlament jedoch an Bedingungen: Erst war sie gegen die komplette Umbenennung der Kochstraße, die mittlerweile vom Tisch ist. Dann hieß es, man müsse zunächst die Bürger befragen. Im August 2005 schloss sich die SPD der CDU-Position gegen die Dutschke-Straße an. In BVV stimmten dennoch einige SPD-Abweichler mit PDS und Grünen für den erfolgreichen Antrag. Als die CDU im Februar 2006 begann, Unterschriften für das Bürgerbegehren zu sammeln, wählte die Bezirks-SPD gerade ihre neue Vorsitzende. Danach hatten die Genossen sich nicht mehr geäußert.

Daran müsse sich auch nichts ändern, meint Canan Bayram, die für die Friedrichshain-Kreuzberger Sozialdemokraten im Abgeordnetenhaus sitzt. „Für die SPD gibt es keine Notwendigkeit, sich zu äußern.“ Im Kreisverband gebe es verschiedene Ansichten, so Bayram. „Ich persönlich werde gegen den Erhalt der Kochstraße stimmen.“ Auch eine Ebene weiter oben, bei der Landes-SPD, übt man sich in vornehmer Zurückhaltung: „Wir haben dazu keine Position, das ist Sache des Bezirks“, so Sprecher Hannes Hönemann.

Hintergrund des Streits in der Bezirks-SPD könnte sein, dass Fischer erst seit Februar dieses Jahres Bezirksvorsitzende ist. Unter ihrer Führung habe sich die Partei auf die neue Linie geeinigt, sagte sie der taz. Damit sich diese Linie auch bei ihren Bezirksverordneten durchsetzt, sollte Fischer ihren ersten Infostand zur Dutschke-Straße vielleicht in der eigenen Fraktion aufbauen.