Halbherzige Maßnahmen gegen Säureattentate

BANGLADESCH Opfer immer Frauen. Regierung will Gesetze zum Säurehandel jetzt strikter durchsetzen

BERLIN taz | Die Regierung von Bangladesch will den Verkauf von Schwefel- und Salpetersäure stärker überwachen, um Attentate mit diesen stark ätzenden Säuren zu erschweren. Dies kündigte Handelsminister Golam Hossain in der BBC an. Demnach müssten Chemikalienhändler nicht nur über Kauf und Verkauf genau Buch führen, sondern auch die Namen der Käufer registrieren.

„Entsprechende Gesetze gibt es schon lange“, sagte Hossain, aber sie seien nicht befolgt und Menschen deshalb mit Säure bedroht worden. „Wir werden jetzt keine illegalen Verkäufe oder laxe Anwendung der Gesetze mehr dulden. Unser Ziel ist es, dafür zu sorgen, dass Säuren nicht in die Hände der falschen Leute geraten“, sagte sein Staatssekretär.

Bangladesch zählt zu den Ländern mit den weltweit meisten Säureattentaten. Deren Opfer sind laut Monira Rahman von der Acid Survivors Foundation (ASF) in Dhaka zu 75 Prozent Frauen, die Täter immer Männer. Ein abgewiesener Heiratsantrag, ein Streit um die Mitgift oder ein Konflikt um Land können dazu führen, dass einer Frau vom abgewiesenen Mann oder der gegnerischen Partei Säure ins Gesicht geschüttet wird. Diese zerfrisst die Haut bis auf die Knochen, die nicht selten auch angegriffen werden. Das Gesicht ist ein Leben lang entstellt, oft das Augenlicht zerstört. Trifft die Säure schlafende Mütter, verätzt sie meist auch die bei ihnen schlafenden Kinder.

Seit 1999 kämpft ASF für die Rechte und medizinische Betreuung der Opfer und gegen die Straflosigkeit der Täter. ASF führt auch Statistik: Gab es im Jahr 2000 noch 174 Fälle mit 234 Opfern, stieg die Zahl 2002 mit 367 Fällen und 490 Opfern auf einen Höhepunkt.

Damals wachte die Politik auf, verstärkte die Gesetze für Säureverkauf und -erwerb und führte gegen den Willen von ASF sogar die Todesstrafe für Säureattentate ein. Todesurteile wurden bislang nicht verhängt. In neun von zehn Fällen gibt es laut ASF ohnehin keine Anklage. Seit 2003 sinkt die Zahl der Attentate kontinuierlich – auf 120 Fälle mit 150 Opfern in 2009. 2010 stieg die Opferzahl wieder auf 153. Das veranlasste die Regierung, mehr zu tun. Beobachter machen Korruption und die laxe Anwendung der Gesetze dafür verantwortlich, dass die Zahl nicht weiter zurückgegangen ist.

SVEN HANSEN