„Typischer Rom ist Folklore“

DISKUSSION Eine Aktivistin spricht über die Kontinuität der Diskriminierung der Roma

■ 41, Roma-Aktivistin aus dem Kosovo. Sie ist in Köln als Rechts- und Sozialberaterin tätig.

taz: Frau Dzemajlji, was denken Sie, wenn Sie dieser Tage Zeitung lesen?

Hasiba Dzemajlji: Vieles deutet darauf hin, das die Probleme ethnifiziert werden. Armutszuwanderung etwa wird mit der Zuwanderung von Roma assoziiert.

Ist nicht gerade das Problem, dass Roma in Südosteuropa kaum Chancen haben, ihre Familien zu ernähren?

In der Debatte wird die Ursache der Armut nicht berücksichtigt und die liegt in der Diskriminirung. Wenn ich keinen Job bekomme, weil ich als Roma identifiziert werde oder wenn mein Kind in der Schule blutig geschlagen wird, dann schicke ich es irgendwann nicht mehr hin. So fängt das an.

Aktuelle Studien belegen einen Anstieg antiziganistischer Ressentiments. Wie lässt sich das erklären?

Als Betroffene fällt es mir schwer, Vorurteile zu erklären, die nichts mit mir zu tun haben. Das Konstrukt des typischen Rom oder der typischen Romni ist Folklore. Ich verstehe nicht, wie eine Angst vor einer Ethnie herrschen kann, die keine Lobby hat und noch nie einen Krieg angefangen hat. Aber Studien bestätigen, dass 80 Prozent der Roma diskriminierende Erfahrungen gemacht haben – auch von staatlicher Seite.

Wie meinen Sie das?

Ich habe zum Beispiel eine Tochter mit einem Deutschen. In der Schule muss sie ihre Herkunft angeben – sie ist Deutsche. Von der Lehrerin wird ihr aber immer wieder gesagt: Sie sei doch keine Deutsche, weil ihre Mama eine Romni ist.

Sie würden von staatlicher Diskriminierung von Roma in Deutschland sprechen?

Ja. Dafür kenne ich viele Beispiele aus meiner Beratungstätigkeit: Wenn Kinder aus Ex-Jugoslawien nicht in der Schule angemeldet werden, wird sich darum nicht gekümmert, weil Roma ohnehin nicht zur Schule gingen. Roma-Kinder werden bis zu drei Klassen unter Ihrem Niveau eingeschult und es werden ihnen die Chancen auf höhere Bildungsabschlüsse verwehrt.

Welche Chance sehen Sie, dem Antiziganismus entgegenzuwirken?

Es geht nur in Kooperation mit den Institutionen, den Kommunen und der Mehrheitsbevölkerung. Vielleicht gelingt uns irgendwann, dass wir als Menschen mit all unseren Stärken und Schwächen akzeptiert werden.  INTERVIEW: JPB

19 Uhr, DGB-Haus