Die vielseitige „Gucci-Helle“

Nein, es werde nicht um Namen für EU-Top-Posten gehen, wenn sie am Donnerstag einer Einladung der Bundeskanzlerin folge und mit ihr frühstücke, betonte Helle Thorning-Schmidt vorab. Sie verneinte aber auch, Merkel mitteilen zu wollen, dass sie nicht für einen Job in Brüssel zur Verfügung stehe.

Die dänische Ministerpräsidentin wird derzeit in Spekulationen über die Van-Rompuy-Nachfolge im Amt des EU-Ratspräsidenten hoch gehandelt. Angeblich sei sie akzeptabel für David Cameron wie Angela Merkel, die zuletzt auffallend oft betonte, wie gut sie mit der Sozialdemokratin zusammenarbeite, deren „Energie“ und „gesunden Menschenverstand“ sie schätze.

Was Dänemarks erste Regierungschefin außerdem für einen Spitzenposten in Brüssel qualifizieren könnte, zählte die Politiken kürzlich auf: ein sympathischer und humorvoller Mensch, eine Frau mit „sozialem Gen“ und noch dazu aus einem traditionell EU-skeptischen und Nicht-Euro-Land. Dies könne angesichts einer Legitimitätskrise der EU von Vorteil sein.

Persönlich ist die 47-Jährige alles andere als EU-skeptisch. Der politische Aufbruch in Osteuropa habe ihr starkes Bewusstsein für Europa geweckt, betont sie: „Wir brauchen einander.“ Und es war auch beim Studium am Europakolleg in Brügge, wo sie mit Stephen Kinnock, Sohn des Exvorsitzenden der britischen Labour-Partei Neil Kinnock, ihren Ehemann kennenlernte, mit dem sie zwei Töchter hat.

1992 trat die mal arrogante, mal elegante, aber immer machtbewusste Blonde den Sozialdemokraten bei, zog 1999 ins Europaparlament und 2005 erstmals ins Folketing ein. Im gleichen Jahr wählte ihre Partei sie, die Vertreterin einer jüngeren Generation ohne sozialdemokratischen „Stallgeruch“, zur Vorsitzenden. Die Hoffnungsträgerin konnte die Sozialdemokraten vorübergehend aus einem Stimmungstief hieven, doch ist ihre dreijährige Bilanz als Regierungschefin eher durchwachsen. Ein Brüssel-Posten für „Gucci-Helle“ – so ihr Spitzname wegen der Vorliebe für die Accessoires dieses Modelabels – würde ihrer kriselnden Partei die Chance für einen personellen Neubeginn geben. REINHARD WOLFF