Esperanto-Desperados

Der polnische Rundfunk streicht Minderheitenprogramme – zum Teil mit antisemitischer Begründung

Die planmäßige Neubesetzung wichtiger Posten beim staatlichen polnischen Rundfunk mit Anhängern der Regierungspartei PiS zeitigt immer deutlicher Wirkung: Nach der Entlassung mehrerer auf Rock und Rap spezialisierter Musikredakteure hat das öffentlich-rechtliche Polskie Radio nun auch seine täglichen Sendungen in Esperanto abgeschafft.

Das beim Auslandsfunk „Polonia“ angesiedelte Esperanto-Programm war 1959 zu Ehren des polnischen Erfinders der internationalen Kunstsprache aufgenommen worden. Warschau war damals der Tagungsort des 44. Weltkongresses für Esperanto. Die Sprache ist Ende des 19. Jahrhunderts von dem gebürtigen Ostpolen Ludwik Zamenhof, einem Augenarzt jüdischer Abstammung, erfunden worden. Die Kunde von der Schließung des Kurzwellenprogramms hatte eine Welle von Protestbriefen aus aller Welt an den Präsidenten und die Regierung ausgelöst. „Wenn Polen aus Stolz auf Zamenhof auf Esperanto senden soll, so muss dies auch Israel tun“, begründete der Vizedirektor von Polskie Radio, Jerzy Targalski, die Abschaffung des Programms allen Ernstes gegenüber der Warschauer Tageszeitung Gazeta Wyborcza. Zudem, so Targalski, könne mit öffentlichen Geldern nicht einfach eine Hobbybewegung unterstützt werden.

Die Kosteneinsparungen werden redaktionsintern auf 12.500 Euro geschätzt. Das vom Außenministerium finanzierte Jahresbudget des Auslandssenders „Polonia“ beträgt 2,5 Millionen Euro.

Auch andere Minderheiten haben in Polen seit dem Rechtsruck Probleme mit ihren Programmfenstern. So will das Regionalprogramm des polnischen Staatsfernsehens Telewizja Polska im kommenden Jahr seine alle zwei Wochen auf Ukrainisch ausgestrahlte Nachrichtensendung streichen. Im Unterschied zum Esperanto-Programm des Radios, das vor allem im Ausland gehört wurde, richtet sie sich an die ukrainische Minderheit in Polen.

Paul Flückiger, Warschau