WAS AUS DER SPENDENFREUDE NACH DER TSUNAMI-KATASTROPHE FOLGTE
: Tückische Zweckbindung

In diesen Tagen füllen sie wieder die Briefkästen: Die Spendenaufrufe der Hilfsorganisationen, die unser Mitgefühl wecken wollen. Wir schauen in die Augen von Aidswaisen aus Südafrika, Vertriebenen aus Darfur oder Überlebenden des Erdbebens in Pakistan. Die plakative Veranschaulichung konkreten Leids ist ein Muss für Hilfsorganisationen, sie dient der Selbstlegitimation. Doch diese Fokussierung auf einzelne, visualisierbare Krisen stellt auch ein Dilemma dar.

Am meisten Geld wurde zuletzt für die Opfer der Tsunami-Katastrophe vor zwei Jahren gespendet. 4,2 Milliarden Euro wurden weltweit von Privatpersonen gespendet, 600 Millionen Euro allein in Deutschland. Die schiere Wucht des Ereignisses, in den nachrichtenarmen Tagen nach Weihnachten von den Medien noch potenziert, sorgte für eine nie zuvor gekannte Großzügigkeit. Sie zeigte Wirkung: In der indonesischen Krisenregion Aceh wird der Wiederaufbau noch jahrelang weitergehen, sagen die Hilfsorganisationen. Man kann diese Aussage aber auch so interpretieren: Das viele Geld muss schließlich noch ausgegeben werden.

Da wundert es, dass manche Organisationen sich noch immer mit Spendenappellen für Tsunami-Opfer an die Öffentlichkeit wenden. Wie man ehrlich mit der Spendenfreudigkeit umgeht, haben die „Ärzte ohne Grenzen“ schon vor zwei Jahren klargemacht, als sie ihre Spender kontaktierten und baten, die Zweckbindung aufzuheben. So konnten viele der ursprünglich für Tsunami-Opfer gedachten Spenden auch den Menschen in anderen Krisenregionen zugutekommen.

Vielerorts stellten die Vorgaben der Spender die größte Hürde für Flexibilität und Nachhaltigkeit der Hilfe dar. Unternehmen und Vereine, die genaue Vorstellungen hatten, wie sie ihre Spende schnell und werbewirksam umgesetzt sehen wollten, trieben so manchen Helfer zur Verzweiflung.

Verständlich, dass Spender wissen wollen, was mit ihrem Geld passiert. Doch symbolträchtige „Beweis“-Fotos taugen da wenig. Besser ist, einen kritischen Blick in die Haushaltsberichte der Hilfsorganisationen zu werfen. ANETT KELLER