Japans Regierungschef immer unbeliebter

Ein Vierteljahr nach seinem Amtsantritt ist nur noch die knappe Hälfte der Japaner zufrieden mit Shinzo Abe

TOKIO taz ■ Shinzo Abe hatte einen souveränen Start hingelegt. Kurz nach seiner Wahl Ende September, reiste der 52-jährige Regierungschef nach China und nach Südkorea und wärmte das eisige Verhältnis zu den beiden Nachbarn auf. Abes Vorgänger, Junichiro Koizumi, waren Pekings Türen jahrelang verschlossen geblieben. Nun wurde Abe auf dem roten Teppich empfangen und vom Heimpublikum als erfolgreicher Außenpolitiker beklatscht. Nahezu gleichzeitig testete Nordkorea Atomwaffen. Abe befürwortete harsche Sanktionen und profilierte sich als entschlussfreudiger Politiker, den Nordkoreas schrille Drohungen nicht schreckten. Der Amtsneuling glänzte daraufhin mit einer Zustimmungsrate von über 70 Prozent.

Doch Abe hat seinen Startbonus verspielt: Heute sind nur noch 49 Prozent der Japaner mit seiner Amtsführung zufrieden. Der Popularitätsabfall ist innenpolitisch begründet. Zum einen stieß der konservative Ministerpräsident mit seinem Streben nach mehr Patriotismus in den Schulen auf Widerstand. Seit letzter Woche sind Lehrer gesetzlich verpflichtet, „Liebe für die Nation und das Vaterland sowie Respekt für Japans Kultur und Tradition“ vorzuleben.

Empörung rief auch hervor, dass die sogenannten Postrebellen, die sich 2005 gegen die Privatisierung der Japan Post gestemmt hatten und von Vorgänger Koizumi aus der Partei gejagt wurden, wieder in den Schoß der LDP zurückkehren durften. Das Versöhnungsritual mit den Verstoßenen scheint wahltaktisch motiviert. Die LDP setzt im Hinblick auf die Oberhauswahlen von 2007 auf die Stimmenfängerqualitäten der Altrebellen.

Parteigänger nannten Koizumi einst „den Diktator“, weil er in Grundsatzfragen Disziplin durchsetzte. Abes Autorität scheint hingegen noch nicht gefestigt. Nach dem nordkoreanischen Atomwaffentest diskutierte Japan über die eigene atomare Bewaffnung. Die USA, Japans wichtigster Allianzpartner, zeigten sich irritiert. Abe erklärte die Diskussion zwar bald für beendet, dennoch hielten Außenminister Taro Aso und hohe Parteifunktionäre das heiße Eisen mit immer neuen Interventionen am Kochen.

Ein Gesichtsverlust für Abe bedeutete – nur zehn Tage nach seiner China- und Koreamission – der Besuch hochrangiger LDP-Funktionäre am umstrittenen Yasukuni-Schrein, wo verurteilter Kriegsverbrecher gedacht wird. Nach Abes diplomatischem Anfangserfolg eignete sich der Ausflug von Abes Parteifreunden nicht dazu, das brüchige Vertrauensverhältnis zu Peking und Seoul zu festigen.

MARCO KAUFFMANN