Im Reich der Moorhexen

LEBENSRAUM Das Ahlenmoor im Landkreis Cuxhaven lässt sich am besten durch eine Fahrt mit der Moorbahn erkunden. Die startet am Moorinformationszentrum, das sich in einem Torfwerk befindet

Kraniche stehen in der Landschaft, das Schilf raschelt und Frösche quaken um die Wette

VON MIRIAM KERN

Es ruckelt und quietscht, wenn sich die kleine Bahn mit ihren sechs Wagen durch die Landschaft schiebt. „Das ist hier halt keine ICE-Strecke“, sagt Georg Haar, einer von sieben Moorbahnfahrern, die im Ahlenmoor unterwegs sind.

Bis zu sechzig Mal im Jahr fährt der 66-jährige Landwirt mit der Moorbahn raus und erklärt Besuchern die Besonderheiten der Landschaft. Das Ahlenmoor ist ein etwa 4.000 Hektar großes Gebiet nördlich von Bad Bederkesa im Landkreis Cuxhaven und zählt zu den größten Moorgebieten Norddeutschlands. Zuvor durch Entwässerung und Torfabbau stark in Mitleidenschaft gezogen, steht heute rund die Hälfte des Gebiets unter Naturschutz. Das ehemalige Torfwerk wurde zu einem Moorinformationszentrum (Mooriz) umgebaut und dient seither sowohl als Ort der Wissenschaft als auch als Ausgangspunkt für Besucher, die sich ins Moor aufmachen wollen.

Das Moor begeisterte die Menschen schon immer: War es früher noch Inspiration für Gruselgeschichten über Moorhexen und -geister, lockt es heute vor allem Naturfreunde an. Zwischen 18.000 und 20.000 Besucher verzeichnet das MoorIZ pro Jahr.

Touristen können das Ahlenmoor auf verschiedene Arten erkunden. „Unser Highlight ist die Moorbahn“, sagt Sabine Gütlein, Leiterin des Fachbereichs Tourismus der Samtgemeinde Hadeln. Transportierte die Feldbahn früher noch Torf vom Feld ins Torfwerk, sind es heute Besucher, die mit ihr ins Moor fahren und die Landschaft an sich vorbei ziehen lassen.

Los geht es an dem kleinen Bahnhof, der direkt neben dem Mooriz liegt. Moorbahnfahrer Haar gibt die Tickets aus und begrüßt die Besucher. „Alles was wir mit ins Moor nehmen, nehmen wir auch wieder mit – dazu zählen auch Schwiegermütter und unartige Kinder“, scherzt er.

Dann weißt er noch mal eindringlich darauf hin, während der Stopps nicht von den Wegen abzukommen. Nach wie vor sei das Moor gefährlich: „Wir haben hier zwar noch keine Moorleiche gefunden, aber das soll sich auch heute nicht ändern.“

Nach der Warnung steigt er auf die Lok. Insgesamt vier Haltepunkte werden auf der 5,7 Kilometer langen Strecke angefahren. Langsam setzt sich die Bahn in Bewegung. Vom alten Torfwerk ist bald nichts mehr zu sehen, stattdessen bietet sich das Bild einer ebenen Fläche in allen Grünschattierungen. Die fürs Moor charakteristischen Binsen wiegen sich im Wind, Tümpel ziehen vorbei, Libellen schweben in der Luft – begleitet vom gemütlichen Knattern der Moorbahn.

An den einzelnen Haltepunkten ermöglichen Holzbohlen das Aussteigen. Die Fahrgäste können sich einen Moment umschauen, dann erzählt Haar ihnen allerhand Wissenswertes zum Moor: Über seine Entstehung und Geschichte, die Bewohner und Pflanzen. So erfährt der Besucher beispielsweise, warum die Moorlilie den Beinamen Beinbrech trägt oder wie die typischen Moorpflanzen wie die Flatterbinse oder das Pfeifengras den damaligen Torfstechern das Leben ein bisschen einfacher gemacht haben.

Bis 2001 wurde im Ahlenmoor maschinell Torf abgebaut, im Torfwerk zu Blumenerde weiterverarbeitet und anschließend in die ganze Welt verschickt. Mit dem wachsenden Bewusstsein für Naturschutz wurde das Moor bald wieder als das gesehen, was es eigentlich ist: Lebensraum für seltene Tiere und Pflanzen.

Außerdem sind Moore ein wichtiger Speicher von Kohlenmonoxid. Trockengelegte Moore hingegen stoßen große Mengen des klimaschädlichen Gases aus. Mit der Wiedervernässung und Renaturierung soll ein Beitrag für den Klima- und Naturschutz geleistet werden.

Soweit die Theorie. Was das in der Praxis bedeutet, können Fahrgäste der Moorbahn spätestens am dritten Haltepunkt sehen. Von einer hölzernen Aussichtsplattform eröffnet sich ein toller Blick über einen Landstrich aus Wasser und Grün. In einiger Entfernung stehen Kraniche, untermalt wird das Szenario vom Rascheln des Schilfs und von Fröschen, die um die Wette quaken.

Nach rund zwei Stunden endet die Fahrt. Am kleinen Bahnhof bleibt noch Zeit für einen Plausch mit dem Moorbahnfahrer. Eine Möglichkeit, das Ahlenmoor weiter zu erkunden, ist, einen von drei verschiedenen Themenpfaden zu Fuß zurückzulegen. Wen es anschließend noch nach Wissen dürstet, kann die Ausstellung im Mooriz besuchen. Dort warten Hörstationen, kleinere Exponate und Fotografien auf den Besucher. Der Weg der Ausstellung führt einige Treppen nach oben in den Turm des alten Torfwerks, wo ein letzter Ausblick über das Ahlenmoor den Abschluss bildet.

Anmeldung und weitere Informationen zu den Moorbahnfahrten unter ☎ 04755 / 91 23 34; Öffnungszeiten Mooriz im Sommer: täglich 11 bis 18 Uhr