Der Pate von Marburg

Marburg ist für viele Linke immer noch: Fachwerk, Fülberth, Faschismustheorie. An Reinfried Pohl (Foto), laut Manager Magazin 2012 auf Platz 33 der Reichen der Republik, dürften sie kaum denken. Andere erinnern sich umso besser an ihn. Als Pohl am 12. Juni 86-jährig starb, schrieb Helmut Kohl über „seinen Freund“ in der Bild. Große deutsche Versicherer pflasterten zum Gedenken in der Süddeutschen zwei Seiten mit Todesanzeigen zu.

1975 gründete Pohl die Deutsche Vermögensberatung (DVAG), heute einer der führenden deutschen Vertriebe für Lebensversicherungen, Bauspar- und Rentenverträgen. Das Wort „Drückerkolonnen“ für seine Methoden mochte Pohl nicht.

Er verdiente Geld genug, um Konservativen und Liberalen Millionen zukommen zu lassen: Allein seit 2000 soll die CDU 1,7 Millionen Euro erhalten haben, die FDP 1,1 Millionen. Für SPD und Grüne fielen noch ein paar Brosamen in fünfstelliger Höhe ab. In Marburg finanzierte er 40 städtische und universitäre Einrichtungen, dazu zahlreiche Vereine. Und weil in der Provinz eine Hand die andere wäscht, machte ihn die Philipps-Universität zum Ehrensenator, die Stadt 2006 zum Ehrenbürger. Was tat es zur Sache, dass die DVAG Ende der 90er Jahre in Verdacht geraten war, mit Parteispenden schärfere Gesetze gegen Finanzberater verhindert zu haben? Als die CDU-Spendenaffäre aufflog und Kohl zur Persona non grata in seiner Partei wurde, ließ Pohl seine CDU-Mitgliedschaft aus Solidarität ruhen.

Nein, Marburg war nicht die Stadt von Fülberth und Beatles. Es war der Ort von Pohl, Kohl, Bohl. Kohls früheren Kanzleramtschef Friedrich Bohl, in Marburg ansässig, machte Pohl zum DVAG-Aufsichtsratschef: „Reinfried Pohl war ein großer Menschenfreund“, schrieb Bohl im Nachruf. MARTIN REEH