Barfuß oder Lackschuh

TITELKAMPF Borussia Dortmund leistet sich beim 1:1 gegen Stuttgart einen Fehltritt. Dabei wäre alles mit einer kleinen Unsportlichkeit zu vermeiden gewesen. Doch der Vorsprung des BVB ist immer noch beruhigend

DORTMUND taz | In der Europa-League ist Borussia Dortmund ausgeschieden. Dennoch kann der Verein dabei helfen, der Bundesliga einen weiteren Startplatz für den internationalen Fußball zu verschaffen. Die Lücke, die dazu in der Fair-Play-Wertung der Uefa geschlossen werden muss, ist recht klein. Am Samstag, beim 1:1 gegen den VfB Stuttgart, leistete der BVB vorbildliche Hilfe für die Liga. Der sehr gute Schiedsrichter Felix Brych zeigte keinem Spieler im schwarz-gelben Trikot eine Gelbe Karte. Da auch weiche Faktoren für die Wertung zählen, wird die Uefa den Polizeibericht positiv zur Kenntnis nehmen: „Friedlich und ohne besondere Vorkommnisse.“ Ein einträchtiges Spiel.

Dass die Partie zwischen dem Tabellenführer und dem Abstiegskandidaten eine Auszeichnung als Musterspiel für Fair Play verpasste, lag an den Stuttgartern. Die VfB-Fans zündeten bengalische Feuer, nachdem Pawel Pogrebnjak in der 84. Minute für den Endstand gesorgt hatte. Weil sich der starke russische Stürmer auch noch das Trikot vom Leib riss, gab es die zweite Gelbe Karte des Spiels. Diese Verwarnung hätte sich die Borussia gerne auf das Konto gebucht. Der Konter des VfB vor dem Ausgleichstor bot eine wunderbare Gelegenheit für ein musterhaftes taktisches Foul. Ein Zupfer am Trikot, schon wäre die schwäbische Welle gestoppt worden. Dumm nur, dass niemand da war, der hätte zupfen können. So war es „ein klarer taktischer Fehler“, wie Verteidiger Mats Hummels sagte. Er ärgerte sich maßlos über die beiden verlorenen Punkte nach einem der eher durchschnittlichen Saisonspiele. Der BVB wollte zu schnell zu viel. „Wir müssen im Aufbau ruhiger sein, ohne einzuschlafen“, kritisierte Trainer Jürgen Klopp. Hummels nannte bei seiner Ursachenforschung sogar einen Namen: „Das war heute zu viel Spielerei nach vorne und zu wenig Denken nach hinten. Da hat einfach Sven im Mittelfeld gefehlt. Der denkt nämlich immer defensiv.“

Im Grunde nannte er damit noch einen weiteren Namen, den von Antonio da Silva. Der Brasilianer ersetzte den verletzten Sven Bender im defensiven Mittelfeld neben Nuri Sahin. Da Silva ist ein Typ Fußballer, der die Defensive manchmal schlicht vergisst, weil er immer dabei sein will, wenn der Ball, der ihm so brav gehorcht, in der Nähe ist. So war es auch vor dem 1:1. Chancen dazu gab es viele, gerade für Lewandowski. „Die Art, Fußball zu spielen, hat uns schon viele Siege eingebracht“, verteidigte Klopp den Anti-Verwaltungs-Kurs. Mit ihm spielte sich der BVB schließlich den komfortablen Vorsprung in der Liga heraus. Das 1:1 gegen einen leidenschaftlichen und auch spielerisch ansehnlichen VfB war erst das zweite Unentschieden der Saison.

Barfuß oder Lackschuh – so tickt Klopp, und daran wird sich kaum etwas ändern. „Das war ein kleiner Hieb. Aber wer sich dadurch aus der Bahn werfen lässt, der war nie richtig drin“, sagte der Trainer. Sein Lächeln wirkte etwas gequält: „Wer heute nicht enttäuscht ist, der hat nicht alle Tassen im Schrank.“ MARCUS BARK