Grüner verliert Poker um Grohnde

ANTI ATOM Niedersachsens Umweltminister Stefan Wenzel scheitert mit seinem Versuch, die Atomaufsicht an Staatsanwälte auszulagern: Der Pannenmeiler Grohnde ist wieder am Netz

BOCHUM taz | Der Poker um den Weiterbetrieb des Atomkraftwerks Grohnde ist trotz erheblicher Sicherheitsbedenken vorbei. Deutschlands Pannenmeiler Nummer 1, dessen Betrieb seit 1985 durch über 200 meldepflichtige Ereignisse gestört war, ist seit Samstagabend wieder am Netz. Es gebe „keinen Grund, die Zustimmung zum Wiederanfahren weiter zurückzustellen“, teilte das von dem Grünen Stefan Wenzel geleitete niedersächsische Umweltministerium als Atomaufsicht mit.

Vermieden hat der grüne Minister damit einen teuren Rechtsstreit: Als AKW-Betreiber hatte der Atomstromkonzern Eon bereits einen Eilantrag beim Oberverwaltungsgericht Lüneburg gestellt, um die Wiederinbetriebnahme des Meilers bei Hameln an der Weser zu erzwingen. Anti-Atom-Aktivisten hatten zuvor von massivem Pfusch am Sekundärkreislauf des Reaktors berichtet: Risse im Rohrleitungssystem seien unter Zeitdruck nur notdürftig geschweißt worden. Wenzel hatte deshalb am Donnerstagabend die Staatsanwaltschaft Hannover eingeschaltet – und verkünden lassen, er werde den Betrieb Grohndes nicht genehmigen, solange keine Ergebnisse vorlägen.

Aber die Ermittler sehen nicht einmal einen Anfangsverdacht: In einer eidesstattlichen Versicherung hat der Betriebsleiter des AKWs die Durchführung unzulässiger Reparaturen bestritten. Die Vorwürfe seien „abstrus“, teilte Eon mit.

Im Regen steht damit der Grüne Wenzel: Der Versuch, die Verantwortung seines Ministeriums als Aufsichts- und Genehmigungsbehörde an die Strafverfolgungsbehörden auszulagern, ist nach wenigen Stunden gescheitert. Schon am Freitagmorgen musste Wenzel vor den Journalisten der niedersächsischen Landespressekonferenz kleinlaut einräumen, die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft hätten keine aufschiebende Wirkung.

Solange seine von FDP-Vorgänger Stefan Birkner übernommenen Fachleute der Atomaufsicht keine Mängel bei der Revision des seit dem 25. April stillstehenden Reaktors ausmachen, hat Eon einen Rechtsanspruch auf die Wiederinbetriebnahme – und Wenzel wusste das: Bereits am Donnerstag hatte der Minister Anti-Atom-Aktivisten berichtet, „der Betreiber“ werde „sehr, sehr ungeduldig“. Ihm sei eine „Schadenersatzklage in Aussicht gestellt“ worden.

Entsprechend scharf ist die Kritik der Opposition: Der Grüne Wenzel habe „den Rechtsstaat auf dem Altar der Ideologie“ geopfert, so CDU-Landtagsfraktionschef Björn Thümler: „Keine 24 Stunden später haben sich alle Vorwürfe in Luft aufgelöst. Das ist doch eine reine Farce.“ FDP-Fraktionsvize Birkner meint, sein Nachfolger habe „seine aufsichtsrechtlichen Pflichten den Befindlichkeiten seiner Parteifreunde“ untergeordnet.

Ignoriert wird damit ein weiterer schwerer Schaden an dem Meiler: Im Reaktorkern sind Fremdkörper aufgetaucht, die von sogenannten Drosselkörpern stammen. Zwar regeln die den Kühlwasserstrom um die Brennelemente – doch die „sichere Abschaltung“ sei nach Austausch der Hälfte dieser Bauteile „nicht beeinträchtigt“, finden Wenzels Fachleute ebenso wie das SPD-geführte Bundesumweltministerium. Seine Skepsis verteidigt der grüne Minister trotzdem: Gerade gegen Ende der AKW-Laufzeit stehe für ihn „der Schutz der Bevölkerung an erster Stelle“. ANDREAS WYPUTTA