Handys strahlen wieder kräftiger

Nach einer Liste des Bundesamtes für Strahlenschutz halten immer weniger Mobiltelefone die Anforderungen für das Umweltzeichen Blauer Engel ein. Hersteller halten die Vorgaben des Siegels für nicht aussagekräftig – und boykottieren es

VON THORSTEN DENKLER

Von der Sendeleistung eines Handys landet immer mehr im Kopf des Nutzers. Das legt die zum Jahresende vom Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) veröffentlichte Liste mit den sogenannten SAR-Werten von 814 aktuellen Mobiltelefonen nahe. Der SAR-Wert steht für die „spezifische Absorbtionsrate“ der Handys in Watt pro Kilogramm Körpergewebe.

Ein Telefon mit einem SAR-Wert von 0,8 wärmt ein Kilo des Kopfgewebes mit 0,8 Watt auf. Der gesetzliche Grenzwert liegt in Deutschland bei zwei Watt pro Kilogramm. Erst ab 100 Watt aber sind nach heutigem Stand der Wissenschaft die Handystrahlen biowirksam, können also Zellstrukturen verändern.

Den Rekord hält das Klapphandy G112 von LG mit 1,94 Watt pro Kilo. Mit 0,6 Watt pro Kilogramm würden die Handys die vom BfS empfohlenen Bedingungen für das Umweltzeichen Blauer Engel erfüllen. Machen viele auch. Nur eben immer weniger. In der Wertetabelle des BfS liegen im März 2005 noch 33,8 Prozent aller Handys unter der Umweltengelgrenze. Die Dezemberzahl diesen Jahres liegt um 3,5 Prozentpunkte niedriger. Auffallend sind die großen Unterschiede zwischen den Geräten. Das Samsung SGH-Z560 etwa kommt auf einen SAR-Wert von 0,1. Das sind 1,82 Watt pro Kilogramm weniger als beim Rekordhalter von LG.

Die Hersteller halten Grenzwerte unterhalb der gesetzlichen Schwelle für irreführend. Ein niedriger SAR-Wert sage nichts über die Sicherheit des Geräts aus. Ob Handystrahlen dem Menschen langfristig schaden, ist umstritten. Allerdings wurde Anfang des Monats in Dänemark eine Studie veröffentlicht, nach der ein Krebsrisiko wohl auszuschließen ist. Für die Studie wurden 400.000 Handynutzer über Jahre hinweg untersucht. Die Krebsrate lag sogar deutlich unter der durchschnittlich zu erwartenden Erkrankungsquote.

Die Hersteller begründen mit solchen Studien, warum sie sich dem Umweltengel verweigern. Bis heute findet sich auf der Website des Engels unter der Rubrik Mobiltelefone kein Eintrag. Dirk Daiber vom Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) kann das nicht nachvollziehen: „Die Hersteller machen es sich einfach, wenn sie sagen, die Technik ist sicher, also brauchen wir keine neuen Grenzwerte.“ Er fordert die Hersteller auf, sich am Prinzip der Vorsorge zu orientieren.

Seit Anfang 2002 geben die Handyhersteller die SAR-Werte ihrer Geräte im Kleingedruckten der Betriebsanleitung an. Aber mit Ausnahme von wenigen Kunden interessiert das offenbar kaum. Beate Horsch von der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg: „Die Menschen interessieren sich mehr dafür, was das Gerät kann.“

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