Förderschüler besser integrieren

SCHULPOLITIK Senator Zöllner (SPD) will künftig Kinder mit und ohne Einschränkung prinzipiell gemeinsam unterrichten. Ein Modellprojekt im Bezirk Marzahn-Hellersdorf macht vor, wie das aussehen kann

Die UN-Konvention verlangt, dass Kinder mit Förderbedarf in die Regelschule sollen

Ganz neu sind die Pläne von Bildungssenator Jürgen Zöllner (SPD) nicht. Rund 43 Prozent der Berliner Schulen unterrichten bereits inklusiv: Kinder mit und ohne Behinderung gehen in dieselben Klassen, ihre individuellen Bedürfnisse und Fähigkeiten fließen in den Unterricht ein. Am Dienstag stellte Zöllner nun ein Konzept vor. Es sieht vor, dass die integrative Schule ab Sommer 2012 in Berlin der „Normalfall“ werden soll. Anlass sei eine UN-Konvention, sagte Zöllner. „Aber ich mache das aus innerer Überzeugung.“

Die von Deutschland 2009 ratifizierte UN-Konvention verlangt, dass Kinder mit Förderbedarf in die Regelschule gehen sollen. Wie das gehen kann, wird seit eineinhalb Jahren in sechs Grundschulen in Marzahn-Hellersdorf in einem Modellversuch erprobt. Das Projekt nennt sich „Inka – Inklusive Schule auf dem Weg“.

In Berlin haben rund 7 Prozent aller Schüler einen sonderpädagogischen Förderbedarf. Marzahn-Hellersdorf liegt mit einer Quote von 13 Prozent an der Spitze. Als Kinder mit Förderbedarf gelten sowohl Kinder mit Körper-, Sinnes- und geistigen Behinderungen als auch Kinder, die Defizite beim Lernen, Sprechen und in der emotional-sozialen Entwicklung haben. Letztere machen rund drei Viertel der Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf aus.

Förderzentren sind out

Die am Inka-Projekt in Marzahn-Hellersdorf beteiligten sechs Grundschulen überweisen keine Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf mehr an Förderzentren – früher Sonderschulen genannt –, sondern unterrichten sie selbst. Die meisten dieser Schüler kämen aus sozialschwachen Wohngebieten und bildungsfernen Elternhäusern, sagt Inka-Regionalkoordinatorin Ilka Knaak am Dienstag. Die Familien seien zum Teil wegen Mietschulden aus anderen Bezirken nach Hellerdorf zugezogen.

Die Folge des Inka-Projekts: Dem Förderzentrum Hellersdorf-Nord gehen nach und nach die Schüler aus. Es wird in absehbarer Zeit schließen – ein gewollter Effekt. Die im Förderzentrum tätigen Sonderpädagogen sind entweder schon an die Inka-Schulen gewechselt, um dort das Lehrerkollegium zu unterstützen, oder sie werden es noch tun.

Das Inka-Projekt könnte berlinweit Schule machen, meint Zöllner. Sein Plan ist, dass die inklusive Schule Normalfall wird. Das betreffe sowohl Grundschulen als auch weiterführende Schulen. Umsetzen will er das Vorhaben möglichst kostenneutral.

56 Förderzentren, so Zöllners Hoffnung, könnten dadurch letztlich obsolet werden. Aber es werde auch weiterhin eine Zahl von Kindern mit schweren körperlichen oder geistigen Behinderungen geben, für die es Spezialschulen gebe müsse. „Es geht hier nicht um eine Alles-oder-nichts-Lösung“, so der Schulsenator.

Wahlrecht der Eltern

Gezwungen wird niemand. „Auf jeden Fall wird das Wahlrecht der Eltern beibehalten“, versprach Zöllner. Und auch den Schulen werde das Konzept nicht zwangsweise verordnet. „Der Umgang mit Heterogenität ist einer, der gelernt werden muss.“

PLUTONIA PLARRE