Konzern kauft Kontakte

Das Online-Kontaktbörse StudiVZ gehört nun der Verlagsgruppe Holzbrinck. Der Zugang soll aber kostenlos bleiben. Warum interessiert sich das Unternehmen für ein unkommerzielles Netzportal?

VON FLORIAN HOLLENBACH

Im Oktober 2005 haben Ehssan Dariani und Dennis Bemmann das Internetnetzwerk für Studenten gegründet. Jetzt, knapp 15 Monate danach, konnten sie den Verkauf ihres Internetportals an eine Tochter der Holtzbrinck-Gruppe verkünden – für schlappe 100 Millionen Euro, heißt es in Medienberichten.

Immer wieder gab es Verkaufsgerüchte über das Studentennetzwerk aus Deutschland. Zuletzt waren die Gerüchte jedoch ein wenig verstummt. Immer wieder kamen neue, kleinere und größere Skandale ans Tageslicht. Von Stalking innerhalb der Community, Sicherheitslücken und zweifelhaften Aktionen einer der Gründer wurde berichtet. Die Sicherheitslücken wurden nach einigen Angaben geschlossen, nachdem die Seite mehrmals abgeschaltet wurde. Die Mitglieder entwickeln zur Zeit einen Verhaltenskodex, um Belästigungen zu verhindern.

Seit zwei Tagen hält nun die Firma Holtzbrinck Networks alle Anteile an Studiverzeichnis. Der genaue Kaufpreis wird nicht verraten, laut Konstantin Urban, Geschäftsführer von Holtzbrinck Networks, liegt er bei „über 50 Millionen, aber deutlich unter 100 Millionen Euro“.

Teure Nutzerdaten

StudiVZ verfügt im deutschsprachigen Raum nach eigenen Angaben über mehr als eine Million Nutzer. Hier liegt das Interesse für Investoren. Die Nutzerdaten sollen nach dem Verkauf bei StudiVZ bleiben, allerdings werden diese für gezielte Werbung genutzt. Schon in der Vergangenheit habe man mit Werbung im StudiVZ gute Erfahrungen gemacht, beispielsweise in Kooperation mit Zeit Campus oder der Blue Man Group, so Tilo Bonow von StudiVZ. „Studenten sind natürlich immer eine spannende Zielgruppe, und StudiVZ wird sich in Zukunft in Kooperation mit Holtzbrinck Networks über Werbung an unsere Mitglieder finanzieren“, sagte Bonow der taz. Das könnte so aussehen, dass Informationen über Wohnort oder Interessen für gezielte Werbung genutzt werden.

Bei Holtzbrinck Networks schlägt man in die gleiche Kerbe. Die Holtzbrinck-Tochter hat den Aufbau eines Portfolios von attraktiven Internetfirmen zum Ziel. In dieses Segment passe der Kauf von StudiVZ ganz hervorragend, sagte Konstantin Urban, Geschäftsführer von Holtzbrinck Networks der taz. „StudiVZ ist in seinem Bereich eine starke Marke und die Nummer eins im deutschsprachigen Raum. Wir erwarten außerdem weiteres Wachstum und eine Wertsteigerung des Studentennetzwerks.“ Man werde „innovative, zielgerichtete Werbeformen entwickeln, die den Nutzer nicht stören, aber auch dafür sorgen, dass StudiVZ kostenlos bleiben und gleichzeitig Gewinne machen kann“, so Urban im Gespräch mit der taz.

Der Verkauf von StudiVZ ist in Deutschland der bisher größte Verkauf eines so genannten Web-2.0-Unternehmens. Web 2.0 ist der Oberbegriff für Internetanwendungen, die von den Usern mitentwickelt werden und eigentlich unkommerziell sein sollen.

Gute Geschäftsidee

So scheint der Aufbau eines Web-2.0-Portals gar nicht so schwierig. Eine gute Idee, die notfalls auch aus anderen Ländern stammen darf, die Seite schreiben, Server bereitstellen und wachsen. Am Ende verkauft man dann, gar nicht so unkommerziell, für viel Geld an eine der großen Internetfirmen.

Die Mitgliedschaft in den Communitys ist zwar eigentlich kostenlos und bringt hauptsächlich Spaß, aber auch mit Web 2.0 wird Geld verdient. Meistens mit Werbung oder eben den Daten der User. Bei StudiVZ stehen für die Mitglieder ebenso wenig wichtige Uniprojekte oder Themen im Vordergrund, sondern der Spaßfaktor. Oft genannte Paradebeispiele für Web 2.0 sind MySpace, inzwischen für 580 Millionen Dollar an Rupert Murdochs News Corporation verkauft, oder Youtube, zuletzt für 1,35 Milliarden Dollar von Google übernommen.

Auch über Facebook, das große Vorbild von StudiVZ, kursierten immer wieder Verkaufsgerüchte – von einem Preis von über 1 Milliarde Dollar und dem Verkauf an Yahoo.com war die Rede. Der Gründer von Facebook, ehemaliger Harvard-Student, könnte bald Milliardär sein. Beide Portale, das deutsche StudiVZ und Facebook, sehen bis auf Farbe und Sprache identisch aus. Ob Facebook ein anderer Bieter für die deutsche Studentencommunity war, wurde nicht verraten. Eines haben die deutschen Entwickler ihren amerikanischen Vorbildern voraus: Sie haben ihr Netzwerk schneller zu Geld gemacht.

Den Gründern von StudiVZ kann man nur gratulieren. Innerhalb von kurzer Zeit haben sie eine Studentencommunity, die es in den USA schon gab, aufgebaut. Nun sind sie durch den Verkauf an Holtzbrinck zu Multimillionären geworden und haben sich weiterhin die Leitung des Unternehmens garantieren lassen.