Strafen für rechte Wahlkampf-Schläger

Das Amtsgericht Tiergarten verhängt Bewährungsstrafen über zwei Neonazis, die im September 2006 einen SPD-Wahlkampfhelfer krankenhausreif prügelten. Opfer seitdem traumatisiert und nur mit Begleitschutz unterwegs

Gestern fand vor dem Amtsgericht Tiergarten der Prozess gegen zwei Neonazis statt, die im September vergangenen Jahres zwei SPD-Wahlkampfhelfer in Marzahn brutal überfielen. Die Rechtsextremen legten ein umfassendes Geständnis ab und entschuldigten sich bei den Opfern. Der 20-jährige Hauptangeklagte Thomas G. gab zu, mit seinen Springerstiefeln mindestens zehnmal gegen den Kopf und Oberkörper des einen Opfers, Felix F., getreten zu haben.

Sein 21-jähriger Komplize Ronnie F. gab an, lediglich zugesehen, aber nicht zugeschlagen zu haben. Beide wurden zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren mit Bewährung sowie einer Schmerzensgeldzahlung in Höhe von 1.000 Euro verurteilt. „Wir begrüßen das Urteil, weil so deutlich gezeigt wird, dass gewalttätige Handlungen von Rechtsextremisten schwer bestraft werden“, so die Landesvorsitzende der Jusos Berlin, Franziska Drohsel.

Der Angriff auf die SPD-Mitglieder war Teil einer ganzen Reihe von rechtsextremen Übergriffen und Einschüchterungsversuchen im Laufe des Wahlkampfs im letzten Jahr. „Bist du Jude?“, fragten die Angreifer den am Boden liegenden Felix F. Als dieser mit Nein antwortete, trat Thomas G. mit den Worten „Falsche Antwort“ weiter auf den Kopf des Opfers ein. Mehrere Tage lag der heute 24-jährige Student im Krankenhaus.

Der Staatsanwalt sprach von einer „Tat aus einer menschenverachtenden Gesinnung heraus“. „Die haben Plakate geklebt, die uns nicht gefallen. Wir denken halt anders“, erklärte der bereits vorbestrafte Ronnie F. auf die Frage, warum er mit seinem Komplizen die SPD-Plakatierer angegriffen habe. Der Richter hatte für diese Erklärung wenig Verständnis: „Wer heutzutage noch Nazi ist, ist unrettbar blöd oder ein skrupelloser Verbrecher.“

Im Gerichtssaal erzählt der SPD-Bezirksverordnete von seinen Albträumen, die ihn seither immer wieder heimsuchen. Er könne sich in Marzahn-Hellersdorf nicht mehr sicher fühlen und bewege sich im Bezirk nicht mehr allein. Auch zum Prozess ist er mit einem Personenschützer einer privaten Sicherheitsfirma erschienen. Die vier Anhänger der rechten Szene auf der Zuschauerbank des Gerichts schmunzeln, während der Staatsanwalt von den Ängsten des Opfers berichtet. Die beiden Angeklagten sitzen regungslos mit gesenktem Kopf auf ihren Stühlen und hören zu. Der Lehrling Thomas G. beteuert, dass er sich inzwischen von der rechten Szene gelöst habe, was der Richter auch als strafmildernd erachtet. In der Prozesspause sitzt der Hauptangeklagte allerdings lachend und scherzend zwischen den vier Rechten von der Zuschauerbank.

Johannes Radke