Pariser Regierung erleichtert

REAKTIONEN Aufruf zur Gesetzestreue

„Für uns reicht ein Schleier oder ein Kopftuch aus“

FRANKREICHS MUSLIMISCHER VERBAND

PARIS taz | Stilles Aufatmen des französischen Gesetzgebers: Das Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EMGR), der die Beschwerde einer anonymen französischen Staatsbürgerin gegen das so genannte „Burka-Verbot“ zurückgewiesen hat, erspart Frankreich eine mögliche Zurechtweisung. Ohnehin sind die Probleme mit einer kleinen Minderheit fundamentalistischer Muslime schon groß genug. Die Regierung nahm vorerst keine Stellung zum EMGR-Entscheid.

Der UMP-Abgeordnete Eric Ciotti aus Nizza, der sich zur Zeit der Präsidentschaft von Nicolas Sarkozy maßgeblich für die Einführung des Burka-Verbots eingesetzt hatte, freute sich über das Urteil. Es stärke Frankreich den Rücken im Kampf gegen den religiösen Extremismus und Fundamentalismus, schrieb Ciotti. Sein konservativer Kollege Charles Beigbeder erklärte: „Danke dem EMGR für die Bestätigung unseres Gesetzes. Unsere Identität stand auf dem Spiel, bei uns ist das Gesicht unverhüllt.“ Für die frühere bürgerliche Umweltministerin Corinne Lepage wurde mit dem Entscheid bekräftigt, dass „die Gleichheit von Frau und Mann untrennbar Teil des republikanischen Paktes ist“.

Die größte Vereinigung der französischen Muslime, die Union des Organisations Islamiques (UOIF), äußerte sich zurückhaltend. Ihr Sprecher sagte, die Totalverschleierung sei keine religiöse Vorschrift, sondern ein kultureller Brauch in gewissen Ländern. „Für uns reicht ein einfacher Schleier oder ein Kopftuch vollkommen aus.“ Dennoch sei man gegen dieses Gesetz, weil es eine Verletzung der Glaubensfreiheit darstelle. Ein einmal geltendes Gesetz müssten die Gläubigen aber respektieren.

Seit 2011 intervenierte die Polizei rund 600-mal wegen des Schleierverbots. Oft handelte es sich angeblich um immer dieselben Frauen, die sich trotz Verbots mit der Burka verhüllen und dies als Teil ihrer Glaubensfreiheit verteidigen. In einzelnen Fällen sind Frauen bis zu dreißigmal mit einer Geldbuße belegt worden. RUDOLF BALMER