150 Theologen fordern: Weg mit dem Zölibat!

KATHOLIZISMUS Der Missbrauchsskandal hat die katholische Kirche in eine „beispiellose Krise“ gestürzt, heißt es in einer Erklärung. TheologInnen fordern tief greifende Reformen wie den Abschied vom Pflichtzölibat. Eine Autorin des Briefes sagt: „Die Zeit ist reif“

BERLIN taz/dpa | Acht Monate vor dem Besuch von Papst Benedikt XVI. in Deutschland wird der Ruf nach Reformen in der katholischen Kirche lauter. Mehr als 150 katholische Theologinnen und Theologen fordern in einem Memorandum „tief greifende Reformen“ ihrer Kirche. Sie treten für die Abschaffung des Pflichtzölibats ein und dafür, dass Frauen zum Priesteramt zugelassen werden.

Im Laufe des Freitags kamen weitere Unterzeichner dazu. „Wir haben uns diesen Erfolg erhofft, aber dass es nun so viele geworden sind, ist doch überraschend“, sagte die Münsteraner Religionspädagogin Judith Könemann, die zum Redaktionsteam der Erklärung gehört, der taz. Es sei offensichtlich, „dass das Timing passt“, so Könemann. „Wir sehen ja gerade auch im Nahen Osten: Irgendwann ist die Zeit reif.“

In dem Memorandum heißt es, das vergangene Jahr habe die katholische Kirche in eine „beispiellose Krise gestürzt“. Verwiesen wird dabei vor allem auf das Bekanntwerden des sexuellen Missbrauchs an Kindern und Jugendlichen durch Priester und Ordensleute. „Als Theologieprofessorinnen und -professoren dürfen wir nicht länger schweigen“, heißt es in dem Memorandum. „Wir sehen uns in der Verantwortung, zu einem echten Neuanfang beizutragen.“ Die Krise der Kirche erfordere es aber auch, Probleme anzugehen, die auf den ersten Blick nichts mit dem Missbrauchsskandal und seiner „jahrzehntelangen Vertuschung“ zu tun hätten. Im vergangenen Jahr seien so viele Christen wie nie zuvor aus der katholischen Kirche ausgezogen. Die Kirche müsse diese Zeichen verstehen „und selbst aus verknöcherten Strukturen ausziehen“, so das Memorandum.

Eine der zentralen Forderungen ist die Abschaffung des Pflichtzölibats. „Die Kirche braucht auch verheiratete Priester und Frauen im kirchlichen Amt“, heißt es dort. Auch in Bezug auf homosexuelle Partnerschaften wird mehr Modernität gefordert. Die „Hochschätzung der Ehe und der ehelosen Lebensform“ bedeute nicht, „Menschen auszuschließen, die Liebe, Treue und gegenseitige Sorge in einer gleichgeschlechtlichen Partnerschaft oder als wiederverheiratete Geschiedene verantwortlich leben“. Ein „selbstgerechter moralischer Rigorismus“ stehe der Kirche nicht gut an.

Seit 1989 hat es nach Einschätzung von Experten keinen vergleichbaren Theologen-Aufstand gegeben. Damals protestierten mehr als 220 Wissenschaftler in der „Kölner Erklärung“ gegen den autoritären Führungsstil von Papst Johannes Paul II. Die katholische Laienbewegung „Wir sind Kirche“ appellierte am Freitag an die deutschen Bischöfe, die Rufe nach Reformen endlich aufzugreifen. „Es muss Schluss sein mit der Basta-Theologie“, sagte Christian Weisner vom Bundesteam von „Wir sind Kirche“.

Die Bischofskonferenz nannte die Erklärung einen Beitrag zur „Zukunft von Glauben und Kirche“. In einer Reihe von Fragen stehe das Memorandum aber „in Spannung zu theologischen Überzeugungen und kirchlichen Festlegungen von hoher Verbindlichkeit“. WOS

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