Sarkozy spielt sich als Opfer auf

FRANKREICH Expräsident nimmt in Fernsehinterview zu Ermittlungsverfahren Stellung. Dabei holt er zum Rundumschlag gegen die Justiz aus und attackiert die Regierung

AUS PARIS RUDOLF BALMER

Der frühere französische Staatspräsident Nicolas Sarkozy hat am Mittwochabend in einem Fernsehinterview Stellung zum gegen ihn eingeleiteten Ermittlungsverfahren wegen Richterbestechung genommen. Dabei wies er alle Verdächtigungen als böswillige Unterstellung zurück und protestierte gegen das Vorgehen der Justiz. Er wolle den Franzosen und allen seinen Wählern sagen, dass er „nie ihr Vertrauen verraten“ oder „etwas getan habe, das den Grundsätzen des Rechtsstaates zuwiderlaufen“ könnte. Er sei Opfer einer politischen Intrige und einer „Instrumentalisierung eines Teils des Justizapparats“, erklärte er.

Wie so oft wählte Sarkozy den Frontalangriff als Verteidigungstaktik. Er attackierte die beiden Untersuchungsrichterinnen, die am Mittwoch das Ermittlungsverfahren gegen ihn eröffnet hatten. Eine sei Mitglied der Richtergewerkschaft Syndicat de la Magistrature, weshalb sie politisch voreingenommen sei.

Der Expräsident beklagte sich über die Behandlung in Polizeigewahrsam. Er hätte gewünscht, dass „diese beiden Damen“ ihn in anderer Weise befragt hätten. Er vermutet eine „politische Obsession, den Mann gegenüber zu zerstören“. Er sei „zutiefst schockiert“, dass seine privaten Telefongespräche abgehört worden seien und diese Aufzeichnungen von Medien veröffentlicht worden seien. Nichts in seinem Dossier lasse den Schluss zu, dass „schwerwiegende Indizien“ gegen ihn vorlägen. Sonnenklar ist für ihn hingegen, dass man ihn zu Fall bringen will.

Das glaubt auch seine Schwiegermutter. In La Stampa spricht Marisa Bruni Tedeschi von einer „Vendetta“. „Der wirkliche Skandal ist dieser Coup de théâtre, der Zeitpunkt und die Vorgehensweise bei den Anschuldigungen.“ Das behauptet auch Sarkozy, für den die Linksregierung nicht unbeteiligt sein kann. Er erwähnte namentlich Justizministerin Taubira, die „gelogen“ habe, als sie sagte, sie habe von seiner telefonischen Überwachung nichts gewusst.

Wie immer polarisiert Sarkozy die Debatte, um so seine Anhänger zu einer uneingeschränkten Solidarisierung zu zwingen. Diese Rechnung scheint heute aufzugehen. Mehrere Exponenten der konservativen UMP attackierten die Justiz. Expremier Jean-Pierre Raffarin sprach von einer „Spektakel-Justiz“, weil sie es sich erlaubt habe, den Expräsidenten um zwei Uhr früh den Richtern vorzuführen. Der sozialistische Vorsitzende der Nationalversammlung, Claude Bartolone verwahrte sich gegen solche Angriffe auf die Unabhängigkeit der Justiz. So verunglimpfe Sarkozy die Republik.

Die Reaktionen auf Sarkozys Auftritt waren laut Umfragen zwiespältig. Zwei Drittel der Franzosen wollen nicht, dass er in die Politik zurückkommt. Von seinen Sympathisanten hoffen 72 Prozent auf sein Comeback.

Auf die Frage, ob er trotz Ermittlungen seine Rückkehr in die Politik vorbereite, antwortete Sarkozy ausweichend. „Die Frage eines Verzichts stellt sich nicht, wenn man Pflichten gegenüber seinem Land hat.“ Ob er sich im Herbst um den Parteivorsitz der UMP bewerben wolle, werde er Ende August entscheiden. Die Ermittlungen könnten aber länger als ein Jahr dauern.