Die bayerische Justiz beginnt wieder ganz von vorn

RECHT Im Regensburger Wiederaufnahme-verfahren ist Gustl Mollath der selben Delikte angeklagt wie schon vor acht Jahren. Eine Verurteilung oder gar die erneute Einweisung in die geschlossene Psychiatrie erscheint aber als sehr unwahrscheinlich

REGENSBURG taz | An Montag wurde im Landgericht Regensburg die Reset-Taste gedrückt. Es war der erste Prozesstag des Wiederaufnahmeverfahrens im Fall Gustl Mollath. Die Justiz tut so, als hätte es das Urteil von 2006 in Nürnberg nicht gegeben, das Mollath für sieben Jahre in die Psychiatrie brachte. Seit knapp einem Jahr ist Mollath wieder frei, jetzt geht es ihm darum, seine Unschuld zu beweisen.

Mollath ist in den selben Punkten angeklagt wie vor zwölf Jahren: schwere Körperverletzung, Freiheitsberaubung und Sachbeschädigung. Er soll seine damalige Frau, die auch dieses Mal als Nebenklägerin auftritt, gebissen, geschlagen und bis zur Bewusstlosigkeit gewürgt haben. Außerdem hätte er sie fast zwei Stunden lang eingesperrt und Autoreifen ihrer Bekannten zerstochen. Das damals genannte Motiv: Rache wegen der Scheidung, die sie eingereicht hatte.

Auch in Mollaths Version geht es um Rache. Bis heute widerspricht er den Aussagen seiner Exfrau. Ihre Anklage sei ein Versuch gewesen, ihn mundtot zu machen. Mollath hatte wegen Schwarzgeldschiebereien Strafanzeige gestellt, in die seine Frau als Mitarbeiterin der Hypo-Vereinsbank (HVB) verwickelt gewesen sein soll. Ein 2012 bekannt gewordener Bericht der HVB bestätigt, dass einige seiner Vorwürfe richtig waren.

Vor acht Jahren glaubten die Richter Mollaths Frau. Sie folgten auch ihrem Vorschlag, Mollath auf seinen Geisteszustand überprüfen zu lassen. Nachdem Gutachter ihm paranoide Wahnvorstellungen und Allgemeingefährlichkeit attestierten, wurde er für unbestimmte Zeit in die Psychiatrie geschickt – verbunden mit einem Freispruch aufgrund von Schuldunfähigkeit.

Damals dauerte der Prozess nur vier Stunden, jetzt sind 17 Verhandlungstage angesetzt. Über 40 Zeugen sollen gehört werden. Auch Norbert Nedopil sitzt im Prozessaal. Der renommierte Gutachter soll Mollaths Geisteszustand beurteilen. Allerdings hat er als Grundlage nur die Akten und seine Beobachtungen im Prozess, denn Mollath weigert sich, mit ihm zu sprechen. Die Richter werden auch dieses Mal entscheiden müssen, ob er unter Wahnvorstellungen leidet und für die Allgemeinheit gefährlich ist. Auch eine erneute Einweisung in die Psychiatrie wäre theoretisch möglich, ist aber sehr unwahrscheinlich.

Zwei andere Varianten sind realistischer: Die Richter kommen zu dem Schluss, Mollath habe die Taten begangen, sei aber nicht wahnkrank. Dann ist er zwar schuldig, wird aber nicht bestraft, da er in einem Wiederaufnahmeverfahren nicht schlechter wegkommen darf als bei seiner ersten Verurteilung. Variante zwei: Mollath können die Vorwürfe nicht nachgewiesen werden. Dieser Ausgang scheint am wahrscheinlichsten. Dann würde Mollath eine Entschädigung zustehen. LISA SCHNELL