Abseits der gewohnten Wege

Das neue „Radverkehrsnetz NRW“ ist bald fertig. Dann sind alle 396 Städte und Gemeinden des Landes mit ihrem Nachbarort verbunden. Zusätzlich sollen innerörtliche Routen den Radfahrern endlich eine zuverlässige Orientierung ermöglichen

VON HENNING SONNEMANN

Sie sind leicht zu übersehen und viel zu selten: die kleinen, weißen Schilder, die Radfahrern den Weg ins Zentrum, zum nächsten Stadtteil oder ins Grüne weisen sollen. Wer sich auf sie verlässt, wird schnell dort landen, wo er noch nie war und auch gar nicht hin wollte. Wer stattdessen lieber ankommen will, muss mit sperrigen Radkarten kämpfen oder locker mal 200 Euro für ein Navigationsgerät und Software investieren. Das Radeln abseits gewohnter Wege ist immer noch umständlich und teuer, manchmal beides.

Aber Nordrhein-Westfalen ist auf dem Weg der Besserung. Schon bald werden mehr und bessere Schilder Radfahrer fahren statt suchen lassen. Große, weiß-rote Wegweiser mit Fahrradsymbol und Richtungspfeil sind in weiten Landesteilen bereits montiert. Sie zeigen, wo und wie weit der nächste Ort, Stadtteil oder Bahnhof liegt und weisen auf ein weiter entferntes Ziel, oft auch außerhalb der Gemeindegrenzen. Hier finden sich auch die kleinen weißen Schilder mit dem Logo von Fern- und Themenrouten wieder. Wo sich diese Routen mit dem NRW-Netz überschneiden, wird das kleine Schild einfach an das große drangehängt. Zwischen den Kreuzungspunkten verschiedener Strecken halten Fahrradsymbol und Pfeil den Radler auf Kurs.

Die neuen Schilder sind die sichtbaren Zeichen des „Radverkehrsnetzes NRW“. Es wird alle 396 Städte und Gemeinden des Landes mit ihrem Nachbarort verbinden und innerörtliche Routen aufweisen. Orts- und Stadtkerne, die meisten Bahnstationen, von Fall zu Fall auch Schwimmbäder, Museen und andere Orte werden eingebunden. Vernetzt werden zudem viele touristische Fernwege wie die Kaiser-Route von Paderborn nach Aachen oder der neue Ruhrtalradweg. Die Strecken sollen alltagstauglich und attraktiv sein, meiden deshalb Hauptstraßen, führen eher durchs Grüne und ruhige Wohnstraßen.

Das Radverkehrsnetz NRW ist allerdings kein Bauprogramm für Radwege. Das Netz entsteht vor allem durch Verknüpfung bestehender Wege, die gut und sicher befahrbar sind. „Da gehören auch Wirtschaftswege zu, Radfahrstreifen, Schutzstreifen, aber auch geöffnete Einbahnstraßen und Fußgängerzonen, die freigegeben sind für den Radverkehr“, sagt Peter London, im Düsseldorfer Ministerium für Bauen und Verkehr zuständig für die Planung der NRW-weiten Radrouten. Für Peter London ist das neue System in jeder Hinsicht wegweisend: „Das ist wirklich das Beste, was Deutschland kennt.“ Tatsächlich plant bisher kein anderes Bundesland etwas Vergleichbares. Eine flächendeckend einheitliche Beschilderung existiert so konsequent nicht einmal in den Niederlanden, ansonsten europaweit Vorbild für die Förderung des Radverkehrs. Auch der Allgemeine Deutsche Fahrrad-Club (ADFC), frühzeitig einbezogen in die Planung, lobt das neue Netz. „Wir haben damit ein absolutes Premium-Produkt“, meint Ulrich Kalle vom Landesverband des ADFC, nicht zuletzt im Hinblick auf den seit Jahren boomenden Radtourismus.

Für Alltagsradler könnte das Netz allerdings dichter sein. Die Landesregierung will daher, dass Städte, Gemeinden und Kreise selbst aktiv werden. Mit dem Programm „100 Kommunen im Netz“ fördert das Land lokale Routen, wenn die Schilder exakt dem NRW-System entsprechen. Der Radfahrer soll den Übergang vom einem Netz ins andere gar nicht merken.

Auch wenn die Kommunen dieses Angebot bisher eher zögerlich annehmen – spätestens im Sommer, wenn in Duisburg das letzte Schild der NRW-Routen festgeschraubt wird, können viele aufatmen, die mit Karten in der Regel auf Kriegsfuß stehen. Auch die Fans satellitengestützter Radnavigation haben Grund zur Freude: Die Daten des neuen Wege-Netzes stehen im Internet-Radroutenplaner NRW zum herunterladen bereit.