die taz vor 10 jahren über serbien, peter handke und peter schneider
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Während draußen in der Welt ein Krieg tobt, sitzt der Schriftsteller daheim und leidet an seiner Machtlosigkeit. Hinaus ins feindliche Leben möchte er, die Feinde dämpfen. Das Schicksal der Bürgerkriegsopfer in Ex-Jugoslawien machte aus mitteleuropäischen Stubenhockern plötzlich Helden. Die Französen Finkielkraut, Lévy, Glucksmann marschierten voran: nacheinander in den Ruinen Jugoslawiens, ungeheuer betroffen, unglaublich cool in den Nachrichten. Auch Deutsche waren schnell dabei. Der mutigste unter den todesmutigen deutschen Schriftstellern ist Peter Schneider. 1967 belferte der „Enzensberger für Arme“ (courtesy of Dirk Schümer) wie heute: „Den Sozialismus werden wir nur bekommen, wenn wir unsere Feinde wissen lassen, daß wir alle Mittel anwenden werden, die nötig sind, ihn zu bekommen.“ Auf den Sozialismus ist er nicht mehr ganz so scharf, aber siehe da: lotta continua. Das denkfaule Phrasendreschen geht weiter, die Macht kommt immer noch aus den Gewehrläufen: „Der Krieg in Ex-Jugoslawien hört nicht auf die saubere Unterscheidung zwischen Gut und Böse, wohl aber auf die zwischen verbrecherischen Aggressoren und angegriffenen Opfern, die dann in der Reaktion und Gegenwehr ebenfalls Verbrechen begehen.“ Wer da nicht taub wird, der hat keine Ohren. Schneiders neuestes MG-Geknatter gilt Peter Handke. Der hat etwas ganz, ganz Schreckliches getan, nämlich – die Wahrheit gesagt. In seinem grüblerischen Reisebericht „Gerechtigkeit für Serbien“ kritisiert Handke allzeit kriegsbegeisterte Schriftsteller, darunter Peter Schneider und dessen „feind- und kriegsbildverknallten, mitläuferischen statt mauerspringerischen Schrieb“. Anders als die daueraufgeregten Autoren kennt der an der deutsch-slowenischen Sprachgrenze geborene Peter Handke das Land tatsächlich. Er ist sich nicht ganz so klar über Gut und Böse wie alle anderen und stellt deshalb Fragen.

Dieses Mitgefühl und dazu die sokratische Methode des Fragens kann man ihm natürlich nicht durchgehen lassen. Peter Schneider enttarnt im Spiegel Handkes „Niedertracht“. Das Blitzmädel Peter Schneider muß halt immer wieder beweisen, daß er zu den ärgsten Kriegsgreueln gehört. Willi Winkler, taz 19. 1. 1996