Es ist ein Bielefelder

Hartmut Ostrowski steht ab 2008 an der Spitze von Bertelsmann. Mit klassischen Medien hat der Ostwestfale allerdings nicht mehr viel zu tun

VON STEFFEN GRIMBERG

„Schon als kleiner Junge zeigte er Spaß daran, in den Journalen seines Vaters zu stöbern. Der hatte einen Sanitärbetrieb.“ So fängt sie an, die Geschichte des Hartmut Ostrowski. Seit gestern ist er zumindest formal einer der mächtigsten Manager Deutschlands. Die Branche hat er allerdings längst gewechselt: Am Nachmittag wurde Hartmut Ostrowski wie erwartet zum künftigen Vorstandschef von Bertelsmann gekürt.

Der 58-jährige Ostrowski löst beim größten deutschen Medienkonzern (Beteiligungen siehe Kasten) Gunter Thielen (65) ab. Ostrowski gilt als Thielens Ziehsohn – und steht wie dieser für keine allzu waghalsigen Experimente in der schönen neuen Medienwelt, Web 2.0 hin oder her. Mit der frühzeitigen Berufung von Ostrowski, der den Job erst Anfang 2008 von Thielen übernehmen soll, setzt die nicht börsennotierte Bertelsmann AG auf Kontinuität, die ganz im Sinne der Eignerfamilie Mohn ist. Sie hatte 2006 tief in die Tasche gegriffen, um einen drohenden Börsengang zu verhindern.

Der bedächtige Ostwestfale Ostrowski passt hier hervorragend zur „Wenig Experimente“-Strategie des Konzerns. Ostrowski stehe für „exzellentes Unternehmertum, für wirtschaftlichen Erfolg“, erklärten gestern Liz und Bertelsmann-Patriarch Reinhard Mohn: „Nicht zuletzt repräsentiert er mit seinem partnerschaftlichen Führungsstil die bewährte Bertelsmann-Unternehmenskultur.“

Und eben die aktuelle Strategie: Wie Thielen ist auch Ostrowski mehr von der drögen Dienstleistung und nicht von der ungleich glamourösere Medienwelt der Verlage und Fernsehsender geprägt. Beide kommen aus dem Unternehmensbereich Avarto. Hier sind die Druckereien (Mohn-Druck, Mohn-Media) sowie die immer umfänglicheren Serviceunternehmen des Konzerns konzentriert. Dank Avarto entwickelt Bertelsmann sich immer mehr vom klassischen Medienunternehmen zum allgemeinen Dienstleistungsgiganten.

Ostrowski, der außer einem kurzen Ausflug ins Investmentbankgeschäft seit 1982 ununterbrochen bei Bertelsmann arbeitet, hatte die Leitung des Konzernbereichs 2002 übernommen, nachdem Thielen zum Vorstandschef aufgestiegen war. Thielen wird nun Vorsitzender des Bertelsmann-Aufsichtsrats, für Ostrowski rückt wiederum der Arvato-Manager Rolf Buch auf. Macht sich nun also eine Art Arvato-Tradition bei Bertelsmann breit? Natürlich gab es auch Gegenkandidaten in Gütersloh. Doch von einem Showdown konnte schon lange keine Rede mehr sein. Ostrowski ging als klarer Favorit von Liz Mohn ins Rennen.

Und dem, der ebenfalls für den Chefposten gehandelt wurde, konnte auch der positive Trend beim bisher so sehr schwächelnden Geschäft mit den Buchclubs nicht mehr helfen. Zwar schreibt diese Konzernstammzelle, die heute Teil der Bertelsmann Direct Group ist, erstmals seit siebeneinhalb Jahren wieder schwarzen Zahlen. Doch Direct-Group-Chef Ewald Walgenbach gilt nun in der Branche als klarer Verlierer.

Skeptiker sehen in der nun hergestellten Kontinuität aber auch Risiken für den Konzern. Ostrowski müsse endlich wieder Visionen für Bertelsmann entwickeln, hieß es. Denn die RTL-Sendergruppe, die immer noch zu stark auf klassische Werbeeinnahmen angewiesen ist, gerät wegen der Digitalisierung und Fragmentierung des TV-Markts unter Druck. Beim Zeitschriftenverlag Gruner + Jahr läuft auch nicht alles rund – und die jetzt mit Sony im Duett betrieben Musiksparte SonyBMG schwächelt weiter. Von mutigen Internet-Akquisitionen wie zu Middelhoffs Zeiten scheint Bertelsmann weiter denn je entfernt. Auch, weil in Gütersloh für spektakuläre Deals wie die milliardenschwere Übernahme von YouTube durch Google im Oktober 2006 derzeit schlicht das Geld fehlt.