Beirut lahmgelegt

AUS BEIRUT MARKUS BICKEL

Mit einem Generalstreik und Straßenblockaden haben Gegner der prowestlichen Regierung im Libanon die Hauptstadt und weite Teile des Landes lahmgelegt. Schwarze Rauchsäulen stiegen gestern über Beirut auf. Bei Zusammenstößen zwischen Demonstranten und Anhängern der antisyrischen Regierung wurden nach Polizeiangaben 15 Menschen verletzt.

Drei Dutzend Sondereinheiten der Polizei haben sich vor dem Wohnsitz von Premierminister Fuad Siniora aufgestellt. Nur wenige Autos fahren an diesem Dienstagvormittag die an Werktagen von Verkehr verstopfte Bliss Street im Westbeiruter Stadtteil Ras Beirut entlang. Doch heute wirkt das beliebte Ausgehviertel, in dem auch der Campus der American University Beirut (AUB) liegt, wie ausgestorben: Nur ein paar Imbissbuden haben geöffnet.

Am Mittag scheint es, als habe die Opposition ihr am Montagabend von Hisbollah-Generalsekretär Hassan Nasrallah angekündigtes Ziel erreicht: das kleine Land mit den vier Millionen Einwohnern gegen den Willen von Premier Siniora und seiner Verbündeten lahmzulegen. „Sie werden versuchen, den Streik als kleiner darzustellen als er ist“, hatte Nasrallah vor hunderten Anhängern in einer Halle in der von der Hisbollah dominierten Südbeiruter Vorstadt Dahyyie erklärt, „indem Medien und Offizielle offene Geschäfte zeigen, als Beweis, dass wir gescheitert sind.“ Siniora hingegen sicherte der Bevölkerung Bewegungsfreiheit zu. „Wir rufen alle Libanesen auf, die Einschüchterungskampagne zu ignorieren.“

Dem Aufruf des sunnitischen Premierministers Siniora aber folgte kaum jemand. Zu effektiv waren die von Gefolgsleuten Nasrallahs im Süden und Zentrum Beiruts aufgerichteten Barrikaden und Autoreifen, um ein Durchkommen zuzulassen. Nördlich der libanesischen Hauptstadt sorgten die christlichen Verbündeten der schiitischen Partei Gottes für leere Straßen. Anhänger des Präsidentschaftsanwärters Michel Aoun, Vorsitzender der Freien Patriotischen Bewegung (FPM), legten den Verkehr in Byblos, Jounieh, Antelias, Jad al-Dib und anderen Gemeinden lahm. Auch Fahnen der Marada-Partei von Exinnenminister Suleiman Frangieh waren neben brennenden Autoreifen zu sehen.

Knapp zwei Monate nach Beginn der Proteste gegen die Politik des von den USA, Frankreich und Deutschland unterstützten Premiers und seiner christlichen und drusischen Verbündeten hat die christlich-schiitische Opposition erstmals wieder einen Achtungssieg erreicht. Anfang Dezember hatte sie vor dem Regierungssitz Grand Serail ein Protestcamp errichtet, um so die von ihnen angestrebte Bildung einer „Regierung der nationalen Einheit“ zu erreichen. Die beiden Hisbollah-Minister und drei weitere schiitische Mitglieder des Kabinetts legten ihre Ämter nieder, ebenso ein christlicher Gefolgsmann von Präsident Emile Lahoud.

Doch nach zwei Großkundgebungen mit bis zu einer Million Teilnehmern verloren die Proteste Ende vergangenen Jahres an Dynamik. Mehrere gemeinsam mit dem Gewerkschaftsdachverband GLC organisierte Kundgebungen brachten vor zwei Wochen nur einige tausend Demonstranten auf die Straße.

Um ihre von den Folgen des Krieges mit Israel im Sommer 2006 stark betroffenen Anhänger wieder zu motivieren, hat sich die von Nasrallah und Aoun geführte Opposition seitdem auf die Wirtschaftspolitik der Regierung eingeschossen. Im ganzen Land hängen Plakate, die deren Austeritätspolitik angreifen. Der Anlass ist klar: Am Donnerstag findet in Paris die internationale Geberkonferenz Paris III statt, von der sich die Regierung bis zu fünf Milliarden US-Dollar an Direkthilfen und Krediten erhofft (siehe unten).