„Wir haben keinen Kampfauftrag“

CHEFIN Die neue Präsidentin des Umweltbundesamts, Maria Krautzberger, über Erfolge und Niederlagen ihrer Behörde, die Kritik am Bedeutungsverlust des UBA und notwendige Treffen mit der Industrie

■ Jg. 1954, studierte Soziologie, Anglistik und Verwaltungswissenschaften. Die gebürtige Oberbayerin hat ein Parteibuch der SPD. Von 1999 bis 2011 war sie Staatssekretärin beim Berliner Senator für Stadtentwicklung. Seit Mai ist sie Präsidentin des Umweltbundesamtes.

taz: Frau Krautzberger, wo würden Sie lieber einmal vorsprechen, bei der Jahrestagung des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI) oder bei einem Klimacamp von Umweltgruppen gegen den Braunkohleabbau?

Krautzberger: Schöner wäre es sicherlich auf dem Klimacamp, aber wichtiger wäre es beim BDI. Am Dialog mit der Wirtschaft kommen wir nicht vorbei.

Haben Sie Angst vor zu großer Nähe zu den Umweltverbänden?

Die Verbände sind weiterhin natürliche Partner des Umweltbundesamts. Aber es ist auch unsere Aufgabe, mit der Industrie und der Landwirtschaft im Gespräch zu sein und zu bleiben, um ökologische Botschaften zu überbringen. So können wir letztlich noch mehr Potenziale für die Umwelt heben.

Wie schwierig ist die Zusammenarbeit mit der Bundesregierung? Von dort kam in der Vergangenheit immer wieder Kritik und Druck bei unbeliebten Initiativen.

Wir raten der Politik, sich an unseren Erkenntnissen zu orientieren. Aber natürlich gibt es auch immer wieder Niederlagen, zum Beispiel beim Tempolimit auf deutschen Autobahnen, das bis heute nicht durchgesetzt ist.

Ein weiteres Scheitern droht ja ausgerechnet bei einem der wichtigsten Umweltthemen der heutigen Zeit, der Energiewende.

Unsere Erwartungen wurden da etwas gedämpft. Aber wir halten die Energiewende nicht für gescheitert. Die Energiewende ist ein Jahrhundertprojekt. Wir haben vielleicht gerade mal die Halbzeit erreicht.

Mit der jüngsten Reform des Erneuerbare-Energien-Gesetzes, die für viel Streit sorgte, dürfte es für die Erneuerbaren in Zukunft aber eher schwieriger als leichter werden.

Die EEG-Novelle ist zu wenig ambitioniert. Es gibt aber den ein oder anderen positiven Aspekt. Das neue Gesetz konzentriert sich auf die Windenergie an Land und die Photovoltaik als die wichtigsten erneuerbaren Energien. Der Ausbau der Bioenergie wird eingeschränkt. Beide Ziele begrüßen wir.

Aber gleichzeitig steigt die Belastung für die Bahnbetreiber in Deutschland durch die EEG-Umlage.

Das halte ich für problematisch, weil wir noch mehr Verkehr auf die Schiene bringen müssen, um unsere Klimaschutzziele zu erreichen. Die jetzt beschlossene Mehrbelastung für die Bahn sollte daher an anderer Stelle kompensiert werden.

In der Vergangenheit war das Umweltbundesamt ja immer auch ein streitbarer Partner für die Politik. Wollen Sie jetzt auch mal öffentlich auf den Putz hauen, oder sehen Sie sich eher als eine Netzwerkerin im Hintergrund?

Wir sind sicher eine Behörde und eben keine Nichtregierungsorganisation. Wir haben auch keinen Kampfauftrag, sondern wir machen Politikberatung. Das heißt, wir sagen unsere Meinung, wissenschaftlich begründet, und wir versuchen so überzeugend zu sein, dass man daran nicht vorbeigehen kann. Wenn die Politik unsere Vorschläge nicht übernimmt, können wir das nicht verhindern.

Ist der Austausch mit der Politik, mit Verbänden und Instituten in Berlin durch den Umzug der Behörde nach Dessau in Sachsen-Anhalt schwieriger geworden?

Das ist ein Argument, das häufig von Westdeutschen aus der Umweltszene kommt. Ich nehme das anders wahr. Der Umzug hat nicht zu einem Bedeutungsverlust geführt. Ich würde sogar sagen, im Gegenteil. Wir haben hier sehr gute Arbeitsbedingungen. Und die gewisse Entfernung zu Berlin ist in gewisser Weise auch von Vorteil, weil man sich nicht nur in politischen Netzwerken und im Politikbetrieb bewegt.

Ihre Behörde hat ja auch den Auftrag, die Verbraucher zu informieren. Wie viel Bevormundung ist da nötig?

Es hilft wenig, wenn wir Verbrauchern vorschreiben, dass sie kein Fleisch mehr essen sollen, um das Klima zu schonen. Viele werden es nämlich trotzdem tun. Da können vorbildliche gesellschaftliche Initiativen wie die Slow-Food-Bewegung mehr erreichen.

INTERVIEW: MORITZ SCHRÖDER