IN ITALIEN WIRD DIE EHE OHNE TRAUSCHEIN SO SCHNELL NICHT KOMMEN
: Linke ohne Mut

Italiens Parlament gibt grünes Licht für die Schwulenehe, melden die Nachrichtenagenturen. Schwulenehe im katholischen Italien, in dem Land, das den Vatikan beherbergt und täglich von Papst Ratzinger hört, die Anerkennung nichtehelicher Lebensgemeinschaften sei Teufelszeug. Das klingt nach Revolution. In Wirklichkeit ging es bloß um eine Resolution: Die Mehrheit der Abgeordneten fordert die Regierung auf, ein Gesetz vorzulegen, das eingetragene Lebenspartnerschaften erlaubt.

Das wäre ein echter Fortschritt. Italien droht zum letzten Land in Westeuropa zu werden, das nicht bloß Schwulen und Lesben jedwede rechtliche Anerkennung ihres Zusammenlebens verweigert, sondern auch jenen Heteros, die es weder in die Kirche noch aufs Standesamt zieht. Die Gründe müssen nicht umständlich erklärt werden: Zwar hat sich die italienische Gesellschaft lange schon dem Moraldiktat des Vatikans entzogen – nicht aber die italienische Politik. Auch den meisten Vertretern der Mitte-links-Koalition unter dem braven Katholiken Romano Prodi gilt Spaniens Ministerpräsident Zapatero als gefährlicher Extremist. Adoptionsrecht für Schwule? Ogottogott, man kann doch den lieben Kleinen nie und nimmer zwei Schwuchteln als Eltern zumuten.

Gleich ein Drittel der Abgeordneten aus Prodis Reihen würden am liebsten noch auf das harmloseste Gesetz verzichten, bloß um es sich nicht mit Papst und Kardinälen zu verscherzen. Selbst Staatspräsident Giorgio Napolitano, dem niemand Glaubenseifer nachsagt, erklärte jetzt, jede Regelung müsse unbedingt „mit der katholischen Kirche abgestimmt“ werden. Abgestimmt? Die Bischöfe antworteten trocken: Jedes Gesetz, „das die Ehe schwäche“, gehöre einfach in die Mülltonne.

Damit aus der Resolution des Parlaments wenigstens ein Revolutiönchen wird, bräuchte es ein wenig Mut. Doch schon jetzt hat eine der Regierungsfraktionen kirchentreu gegen das Gesetzesvorhaben gestimmt. Italiens Lesben und Schwule sollten sich also nicht zu früh freuen: Es ist möglich, dass Prodi die nötigen Stimmen für das Gesetz nicht zusammenbekommt. MICHAEL BRAUN