Geschwisterstreit zwischen blauer und gelber Post

■ Wie darf die Postbank in den Schalterhallen der gelben Post Geschäfte abwickeln? Im Streit der Post-Geschwister steht eine Entscheidung bevor

Bonn (taz) – Die Angestellten in der Bonner Zentrale der gelben Post munkeln schon länger: Nach dem Super Sunday, nach den drei Landtagswahlen am 24. März, wird Postminister Wolfgang Bötsch (CSU) erklären, wie der Geschwisterstreit zwischen Postdienst und Postbank ein Ende findet. Der Konflikt geht um das Kooperationsabkommen, das klärt, unter welchen Bedingungen die kleine blaue Schwester Postbank beim großen gelben Bruder Postdienst ihre Geschäfte abwickelt. Sie ist darauf angewiesen, weil sie keine Filialen und Tresore und kaum Schalter besitzt. Eine Abhängigkeit, die auf Gegenseitigkeit beruht. Jeder dritte Kunde in der Postfiliale ist Postbankkunde. Das bisherige Abkommen läuft zum Jahresende aus. Seit Februar wurde intensiv um die Verlängerung verhandelt, nächste Woche voraussichtlich zum letztenmal.

„Wir haben alle Voraussetzungen für eine Entscheidung geschaffen“, sagt Verhandlungsleiter Hans Gottfried Bernrath (SPD), Vorsitzender der Postholding. Man habe sich geeinigt, daß der neue Vertrag über zehn Jahre läuft, daß die 242 blauen Beratungsschalter der Postbank verschwinden. Geklärt sei auch, wie die Postbank die gelbe Post für die Geschäftsabwicklungen an deren Schaltern bezahlt. Bei den entscheidenden Punkten haben sich die Geschwister jedoch nicht einigen können, so zum Beispiel über die Höhe des Abgeltungsbetrages.

Die Postbank will jedenfalls nicht mehr wie bisher 1,25 Milliarden Mark im Jahr an den Postdienst für die Nutzung von dessen Infrastruktur überweisen. „Wir wollen nur noch das bezahlen, wofür wir eine Gegenleistung bekommen“, sagt ein Postbanksprecher. Die Postbank sieht nicht ein, die unrentablen Filialen des Postdienstes zu subventionieren. Insgesamt kostet das Netz mit den bislang 26.000 Schaltern in 14.000 eigenen Filialen und 3.000 Agenturen in Kiosken, Tankstellen und Tante- Emma-Läden jährlich etwa 4,5 Milliarden Mark. Ginge es nach der Postbank, hätte nur noch jede zehnte Filiale eine Chance.

Ursprünglich hat auch der Postdienst so gedacht. Doch seit der zweiten Stufe der Postreform Anfang 1995 hat der Postdienst einen Infrastrukturauftrag nach Artikel 87 des Grundgesetzes am Bein: Die Versorgung in der Fläche muß gewährleistet sein. Denn nachdem er Proteste über Postschließungen in seiner fränkischen Heimat hatte miterleben müssen, hatte Bötsch erkannt: Das Postamt gehört wie die Kirche zum Dorf.

Postdienstchef Klaus Zumwinkel hat seinem Freund Bötsch zugesichert, daß er 15.000 Filialen (davon 5.000 Agenturen) erhalten möchte. Doch für diesen Freundschaftsdienst verlangt er eine Gegenleistung. Die bis zum Jahr 2003 garantierte Monopolstellung im Briefverkehr genügt nicht, um die Filialen auszulasten. Nur mit der Postbank im Gepäck, sagt Zumwinkel, könne der Infrastrukturauftrag erfüllt werden: mit einer Bank, die Publikum an die Schalter lockt, einer „Aldi-Bank“ mit kostenloser Kontoführung und Verzinsung der Sichteinlagen. Der gelbe Riese will deshalb entscheidenden Einfluß auf die Geschicke der kleinen Schwester nehmen. Zumwinkel fordert 40 Prozent der Anteile.

Die Postbank sieht ihre Unabhängigkeit bedroht

Bötsch wird im Einvernehmen mit Theo Waigel (CSU), der bereits den Verkauf der Postbank mit 3,1 Milliarden Mark fest im Haushalt 1996 verbucht hat, dem Postdienst voraussichtlich eine Sperrminorität von 25 Prozent plus einer Aktie zugestehen. Doch die Postbank hält eine derartige Sperrminorität für verfassungswidrig, weil ihre Unabhängigkeit bedroht sei.

Die letzten Hoffnungen der Postbanker richten sich auf die FDP und die Investmentbank Schroders. Schroders soll im Auftrag des Bötsch-Ministeriums bis Monatsende geeignete Beteiligungsmodelle sowie passende Kooperationspartner für Finanzdienstleistungen präsentieren. Schroders hatte bereits im Januar in einem Gutachten dafür plädiert, den Postdienst mit 15 bis 20 Prozent an der Postbank zu beteiligen. Eine Sperrminorität sei dagegen nur dann sinnvoll, wenn sie unter politischen Gesichtspunkten unbedingt erwünscht sei.

Bei der FDP jedenfalls nicht. Sie gehört seit Beginn der Postreform 1989 zu den Verfechtern einer selbständigen Postbank. Einzig ihr ist es zu verdanken, daß es drei und nicht zwei Nachfolgeunternehmen der Bundespost gibt. Fragt sich bloß, ob die Liberalen nach dem Super Sunday noch viel zu sagen haben werden in der Bonner Koalition.

Schließlich läßt Bernrath der Postbank noch eine Tür offen. Es bestünde ja auch die Möglichkeit, dem Postdienst zunächst nur eine Beteiligung von 20 Prozent einzuräumen, fünf Jahre ins Land gehen zu lassen, und „wenn dann alles gut gegangen ist, legt man 5 Prozent drauf“. Christoph Oellers