Das Industriemuseum wartet

Transrapid: Sackgassentechnologie oder zukunftweisendes High-Tech-Wunder? Bundestag stimmt Gesetz für Probestrecke Hamburg–Berlin zu  ■ Von Florian Marten

Hamburg/Berlin (taz) – Ist der Transrapid ein weltmarktfähiges Meisterwerk deutscher Ingenieurskunst, dem miesepetrige grüne Biotopisten und Mittelstands-BIs den Garaus machen wollen? Oder handelt es sich bei dem gestelzten Flitzewurm um einen „schwebenden Schabernack, einen 15 Milliarden Mark teuren Schildbürgerstreich“, wie BUND- Experte Willfried Sauter behauptet? Bei der Verabschiedung des Bedarfsgesetzes für die Transrapidstrecke von Hamburg nach Berlin gestern im Bundestag trafen die Vertreterinnen der beiden Positionen gestern noch einmal aufeinander. Hier die Regierungsmehrheit, die der „schnellste und umweltfreundlichste Verkehrstechnologie der Welt“, so der CDU-Abgeordenete Dirk Fischer aus Hamburg, per Gesetz einen Etat verschaffte. Dort die SPD- Verkehrspolitikerin Elke Ferner, die vor dem Transrapid als „neuem Milliardengrab“ warnte und forderte, statt des Transrapid-Projektes die ICE-Verbindung zwischen Hamburg und Berlin auszubauen.

Die angebliche Zukunftstechnologie hat schon einige Jahre auf dem Buckel. Bereits 1885 erhielt Dr. Theodor Bruger in Frankfurt das weltweit erste Patent für einen „linearen Induktionsmotor“, das Herzstück der heutigen deutschen Magneteschwebetechnik. Angesichts des rasanten Erfolgs von Eisenbahn und Flugzeug kümmerte sich jahrzehntelang kaum ein Ingenieur um die Fortentwicklung eines solchen Systems. Dies änderte sich erst Ende der fortschrittsvernarrten 60er Jahre.

Damals wollte das eine technische Lager die gute alte Eisenbahn ins Hochgeschwindigkeitszeitalter bringen. Das verlangte nach einer Optimierung der Rad/Schiene- Technik. Das andere Lager hielt aber hielt eine neue Technik für unbedingt erforderlich. Bei Tempo 300, so die Schienenskeptiker, würden die Eisenräder durchdrehen, allenfalls extraschwere Züge hätten eine Chance – mit teuren Folgen für den Fahrweg.

Frankreich beerdigte 1971 seine Forschung am magnetischen Schweben und setzt seither voll auf Hochgeschwindigkeit bei der herkömmlichen Bahn. In Deutschland verhalf dagegen 1969 eine „Hochleistungs-Schnell-Bahnstudie“ dem Transrapid in die subventionsträchtigen Startlöcher.

Gut zwei Milliarden deutsche Steuermark flossen bislang in die hochkomplexe und teure Transrapidtechnik: Erst die neue Mikroelektronik der 80er schaffte die technische Voraussetzungen für die Regelelektronik, die den Schwebeabstand gleichmäßig und sicher hält. Aufwendig auch der Fahrweg: Beim Transrapid sitzt der Motor, eine Art längs aufgeschnittener Elektromotor, der Lineargenerator, in der Schiene – das treibt die Kosten. Während sich Deutschlands Magnetschwebetechniker mit den Tücken des Objekts quälten, eilten die französischen Ingenieure von Triumph zu Triumph und widerlegten die Rad/ Schiene-Skeptiker: Der französische Hochgeschwindigkeitszug TGV hält, obwohl mit nur 15 Tonnen Achslast ein Leichtgewicht, mit 515 km/h den Weltrekord für spurgeführte Landfahrzeuge.

Jürgen Wax-Ebeling, Bahntechnik-Experte des Hamburg- Bochumer Ingenieurbüros SCI, fällt ein harsches Urteil: „Die Magnetschwebetechnik ist bis heute eine Sackgassentechnologie. Sie wurde entwickelt, als man noch glaubte, die Rad/Schiene-Technologie habe enge physikalische Grenzen. Die Orientierung der deutschen Forschungsförderung auf den Transrapid und die Magnetschwebetechnik hat der Bundesrepublik einen technologischen Rückstand bei der viel aussichtsreicheren Rad/Schiene-Technolgie beschert.“

Die harten ökonomischen Realitäten untermauern die Thesen der Verkehrsexperten: Selbst bei der von Fachleuten als aberwitzig optimistisch bezeichneten Verkehrsprognose von 10 bis 15 Millionen Transrapid-Passagieren zwischen Hamburg und Berlin – heute fahren nicht einmal 500.000 pro Jahr mit der Bahn – kalkulieren die Transrapidbetreiber mit mit 180 Mark für eine Rückfahrkarte, die ein Bahncard-Inhaber mit 70 lässig unterbietet. Kein Wunder, daß bei keinem der gegenwärtigen Hochgeschwindigkeitsprojekte auf dem Weltmarkt der Transrapid ernsthaft im Gespräch ist.

Siemens-Vorständler Wolfram Martinsen, für ICE und Transrapid zuständig, gibt sich trotz der Unterstützung der Bundesregierung deswegen vorsichtig, was die Zukunft des Transrapid angeht. „Wir werden erst nach der Entscheidung für eine bestimmte Trasse Ende 1996 unsere Überlegungen abschließen, ob wir bauen oder nicht. Niemand will ein Harakiri-Projekt.“