Ist Jagen ökologisch?

Bis gestern besuchten Zehntausende die Dortmunder Ausstellung„Jagd & Hund 2007“. Tierschützer kritisieren eine Verherrlichung des Tötens. Jäger sehen sich als aktive Naturschützer. Ist die Tierjagd also kein blutiger Zeitvertreib für Oberschichtler, sondern ökologisch korrekt?

JA

Ein Verzicht auf die Ausübung der Jagd hätte katastrophale Folgen. Bei den besonders vitalen Wildarten wären Überpopulationen unvermeidlich, die beim Schalenwild (Rehwild, Rotwild) zu unerträglichen Schädigungen des Waldes und beim Raubwild (Fuchs, Marder) zur Dezimierung oder Ausrottung ganzer Tierarten führen würde. Bodenbrüter wie die Lerche haben kaum eine Überlebenschance, wenn Füchse und Krähen nicht kurzgehalten werden. Die Singvogelbestände werden in stadtnahen Gärten häufig durch Elstern ruiniert, weil es für sie kaum noch natürliche Feinde gibt.

Realitätsferne Optimisten behaupten zwar immer wieder, in der Natur pendele sich von selbst das Gleichgewicht der Arten ein. Diese Annahme wird jedoch durch alle Erfahrung widerlegt, weil der Mensch das natürliche Gleichgewicht der Natur unwiederbringlich zerstört hat und deshalb das blutige Handwerk der Begrenzung mancher Tierarten selbst übernehmen muss.

Tierschützer versuchen gelegentlich zu suggerieren, durch die Jagd würden unnötigerweise Tiere getötet. Das ist schon deswegen abwegig, weil mit der Beseitigung von Raubwild andere Tierarten geschützt werden und weil mit der Erlegung von Wild deren Fleisch der menschlichen Ernährung zugeführt wird. Jedes Kilo Wildfleisch ersetzt ein Kilo Fleisch von Schlachtvieh. Da die Mast von Rindern und Schweinen nur mit hohem Energieaufwand und unter starker Umweltbelastung möglich ist, wäre es unverantwortlich, die Ressource Wildfleisch nicht zu nutzen, zumal die für die menschliche Ernährung besonders geeignet ist.

Das Recht zu jagen – also das Recht, wildlebenden herrenlosen Tieren nachzustellen und sie zu erlegen – ist nach allgemeinem Rechtsverständnis ein Ausfluss des Eigentumsrechts. Weil der Eigentümer mit seinem Grundstück, soweit nicht die Interessen Dritter oder der Allgemeinheit entgegenstehen, nach Belieben verfahren darf, entscheidet er, in welchem Maße er dort die Früchte ernten will. Das gleiche gilt im Grundsatz auch für die auf dem Grundstück lebenden Tiere – allerdings mit einer wesentlichen Einschränkung: Um eine Bewirtschaftung des Wildes zu gewährleisten, hat der Eigentümer nur dann das Jagdrecht, wenn er über eine geschlossene Fläche von mindestens 75 Hektar verfügt. Alle kleineren Flächen werden auf kommunaler Ebene zu so genannten Genossenschaftsjagden von mindestens 250 ha zusammengefasst. In jedem Falle ist notwendig, dass der Jagdausübende durch den Erwerb des Jagdscheines seine Qualifikation nachweist.

Das Jagdrecht ist in langen Kämpfen nach der französischen Revolution dem Adel entwunden worden. Es entbehrt nicht der Ironie, dass heute ausgerechnet die politischen Kräfte, die sich für besonders fortschrittlich halten, dem Bürger das Jagdrecht wieder nehmen wollen. FRIEDHELM FARTHMANN

NEIN

Jagd bedeutet Tiere in der Natur zu töten. Nahrungserwerb ist nur noch bedingter Beweggrund. Die Jagd ist meist ein kostspieliges Hobby und verspricht vermeintlichen Prestigegewinn, doch immer mehr Menschen fragen sich: Ist das Hobby „Tiere töten“ ethisch vertretbar? „Jäger sind Naturschützer“ prangt als Rechtfertigung auf so manchen Geländewagen. Sicher, das Pflanzen von Feldgehölzen und das Wegräumen von Müll ist von Jägern praktizierter Naturschutz. Doch dazu müsste man keine Tiere töten.

Ohne Jagd gibt es Massenvermehrungen von Tierarten, weil deren Feinde (Luchs, Wolf usw.) ausgerottet sind, wird uns entgegengehalten. Warum aber laufen dann ausgerechnet Jäger gegen die Rückkehr von Luchsen in den NRW-Mittelgebirgen Sturm? Wenn es um „Regulierung“ geht, warum wird das „Anfüttern“ massenhaft praktiziert? Warum wird Jagd auf Feldhasen gemacht, deren Bestände rückläufig sind.

Überhaupt: In jedem seriösen Ökologiebuch ist nachzulesen, dass sich in der Natur ein Gleichgewicht zwischen Nahrungsangebot und Tierdichte einstellt, ohne dass es eines Eingriffs bedarf. Sicher: Hirsche verbeißen die Triebe junger Fichten, Kormorane fressen Forellen aus Fischteichen, Wildschweine ruinieren Maisacker. Doch sind das wirtschaftliche Schäden, die eintreten, weil wir den Tieren einen gedeckten Tisch in Form von Monokulturen bieten, während wir ihren natürlichen Lebensraum immer mehr zerstören. Statt Flinte bräuchten wir mehr Natur, um die Schäden zu begrenzen.

Manche Jäger glauben, die eine Tierart durch den Abschuss der anderen schützen zu müssen. In den 1970er ließen hunderte Greifvögel ihr Leben, damit sie sich nicht an den letzten Birkhühnern vergreifen konnten. An der Nordsee wurden zehntausende Silbermöwen abgeschlachtet, damit sie nicht die Eier der bedrohten Seeschwalbe fressen konnten. Genützt hat es Birkhühnern und Seeschwalben wenig – nicht Fressfeinde sondern Lebensraumzerstörungen sind das Problem. In NRW will der Landwirtschaftsminister den Abschuss von Kormoranen forcieren, weil die Äsche auszusterben droht. Dabei sind nicht Kormorane das Problem der Fischart, sondern die Zerstörung der Mittelgebirgsflüsse.

Dass es ohne Jagd geht, zeigt der Schweizer Nationalpark, wo seit Jahrzehnten auf die Jagd verzichtet wird. Trotz Wilddichte gedeiht der Wald – nicht als Monokultur, sondern als Wildnis. Wald ohne Jagd? In NRW leider ein Tabu – selbst im Nationalpark Eifel.JOHANNES REMMEL