Aficionados des Tabaks

Rauchen ist nicht sehr gesund. Okay, geschenkt. Das ganze Leben ist nicht sehr bekömmlich und führt sowieso allmählich zum Tode. Rauchen ist ein Laster und führt also zum Genuß, und den läßt man sich gerne kenntnisreich vor- und nachfeiern.

Das hat Detlef Bluhm mit seinem kulturgeschichtlichen Brevier „Auf leichten Flügeln ins Land der Phantasie – Tabak und Kultur von Columbus bis Davidoff“ in der schönen Transit- Buchausstattung (die langsam auch zum luxuriösen Laster wird) trefflich getan. (Transit Verlag, Berlin 1997, 160 Seiten, 34DM.) Natürlich läßt Bluhm von George Gershwin bis Che Guevara alle Aficionados des Tabaks in jeder denkbaren Form aufmarschieren, bastelt aber klammheimlich und ob ihrer letztendlichen Vergeblichkeit kichernd auch eine Geschichte der Repressionen gegen Raucher.

Er kommt zwar ohne den militanten Antiraucher Himmler aus, führt aber beispielsweise mit Sultan Murad IV. (2.000 geköpfte Raucher!) ein paar herzige Scheusale an, die immer mal wieder brachial was gegen das Qualmen hatten.

Heute wird nicht mehr geköpft, heute waltet der Zeitgeist, von dessen Delirien beispielsweise Adolf Endler aus den USA zu berichten weiß. Deutlich zeigt sich nämlich, daß die Verdammung des Rauchens schon immer eine Klassenfrage war und ist, egal, wie sie sich gerade tarnt. Obrigkeiten verdienen zwar gerne am Tabak, mögen aber allzuviel Hedonismus beim gemeinen Volk nicht dulden. Und heute wollen sich Aufsteiger als lasterfrei und funktionstüchtig empfehlen. Das nur nebenbei. Bluhms vor Anekdoten und Trouvaillen schier platzendes Buch nebst nützlicher Bibliographie ist kein defensives Pamphlet für dennoch Quartzende, sondern schöpft aus dem vollen: eben aus dem nicht wegzudiskutierenden Zusammenhang von Tabak und Kultur. Daraus könnte man vermutlich noch zehn Bände machen. Thomas Wörtche

Foto: Kevin Foy