Der Raser kann künftig frei wählen

■ Änderungen im Straßenverkehrsgesetz sollen Raser schonen. Tempo 30 wird abgespeckt. Bundestag stimmt heute über Entwurf ab

Berlin (taz) – Auf den ersten Blick scheint es um Neuregelungen zum Thema Drogen im Straßenverkehr zu gehen bei der geplanten Änderung des Straßenverkehrsgesetzes. Doch hinter dem Entschließungsantrag der Koalitionsfraktionen, der heute in zweiter und abschließender dritter Lesung im Bundestag behandelt wird, verbergen sich weitreichende Einschnitte ins Straßenverkehrsrecht.

Raser zum Beispiel sollen in Zukunft nach dem Willen der Koalition nicht gleich die Fahrerlaubnis verlieren, sondern selbst den Termin wählen können, da „viele Kraftfahrer aus beruflichen oder aus persönlichen Gründen (...) täglich auf ihr Kraftfahrzeug angewiesen“ seien, so der Antrag.

Die Schwelle für die Verhängung von Fahrverboten wiederum wird angehoben: Erst bei einer Überschreitung des Limits von 31 Stundenkilometern innerorts und 41 Stundenkilometern außerhalb geschlossener Ortschaften soll der Führerschein künftig befristet entzogen werden. „Im Klartext heißt das: Erst ab Tempo 64 in einer Tempo-30-Zone ist der Lappen weg“, sagt dazu die bündnisgrüne Bundestagsabgeordnete Gila Altmann. „Im sonstigen Stadtgebiet gilt künftig Tempo 86. Denn der passionierte Raser kann schließlich rechnen: vorgeschriebene Geschwindigkeit plus 31 km/h plus 10 Prozent Meßtoleranz, das kostet dann maximal 3.000 Mark.“

Auch von flächendeckender Verkehrsberuhigung hält die Koalition wenig. Im Antragsentwurf liest sich das so: „Der Bundestag weist ausdrücklich darauf hin, daß Tempo-30-Zonen nur dort angeordnet werden dürfen, wo die betreffenden verkehrlichen und straßenbaulichen Verhältnisse dies erfordern.“ Gila Altmann sieht darin ein „verheerendes Signal“. Zwei Drittel aller Unfälle mit Personenschäden und knapp 30 Prozent aller tödlichen geschehen in Ortschaften. Der Antrag wird mit großer Wahrscheinlichkeit heute im Bundestag endgültig verabschiedet. Gudrun Giese