Lettland will Quote kippen

■ Russen soll die Einbürgerung erleichtert werden. Die Sprachprüfung bleibt Pflicht

Stockholm (taz) – Lettland ist bereit, seine strengen Staatsbürgerschaftsregelungen abzumildern, um der russischen Minderheit die Einbürgerung zu erleichtern. Diese überraschende Kehrtwendung der Regierung von Guntars Krasts soll offenbar die schwere innen- und außenpolitische Krise, in die das Land wegen seiner bislang kompromißlosen Haltung gekommen war, entschärfen. Nach dem am Mittwoch bekanntgegebenen Beschluß soll die „Quotenregelung“ gestrichen werden, nach der bislang nur bestimmte Jahrgänge einen Antrag stellen konnten. Bleiben sollen allerdings die „Aufnahmeprüfung“, die aus einem Sprachtest und einer Art Verhör vor einer Kommission zu Fragen zur Geschichte Lettlands besteht.

Auch wenn damit Riga formal dem Druck aus dem Westen ein Stück nachgibt, bleibt fraglich, ob nun tatsächlich ein größerer Anteil der RussInnen – ein Drittel der Gesamtbevölkerung – die Einbürgerungshürde nehmen kann. In den sieben Jahren seit der Unabhängigkeity des Landes haben nicht einmal 10.000 der 700.000 RussInnen einen lettischen Paß erhalten. Dieser Paß und das Bestehen der Sprachprüfung waren bislang neben dem Erhalt voller Bürgerrechte auch eine Voraussetzung für die Bewerbung um einen Posten im öffentlichen Dienst. Ohne weitere Einzelheiten bekanntzugeben, kündigte die lettische Regierung an, auch in diesem Sektor bestimmte Berufsgruppen von dieser bisherigen Prüfung auszunehmen.

Die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) hatte Lettlands Staatsbürgerschaftsgesetz in 18 Punkten kritisiert und gleichzeitig Vorschläge für Reformen gemacht. Ein Sprecher des lettischen Außenministeriums erklärte, in den meisten Punkten sei man der Kritik der OSZE gefolgt. Dazu, ob die jetzigen Regierungsbeschlüsse tatsächlich weitgehend genug sind, wollte sich der OSZE-Beauftragte für Minoritätsfragen, Max van der Stoel, vorerst noch nicht äußern. Er kündigte an, heute nach Riga fliegen zu wollen, um sich vor Ort zu informieren. Als durchaus fraglich bezeichneten lettischen Medien gestern die Frage, ob sich im Parlament auch tatsächlich eine Mehrheit für die jetzigen Liberalisierungen werde zusammenbringen lassen. Die entsprechende Abstimmung wurde auf den 23. April festgesetzt. Reinhard Wolff