Kopftuch und kein Ende

■ betr.: Debatte und LeserInnen briefe, taz vom 3. 8. 98

Laßt endlich ein Ende des pseudoliberalen Gebrabbels um das Kopftuch von Fereshta Ludin sein!

Alle Plädoyers für „mehr Toleranz“, „gegen Ausgrenzung“, „für individuelle Rechte“ und „Religionsfreiheit“ haben einen entscheidenden Fehler: Angesichts der real existierenden Situation von Frauen in Afghanistan, Iran, Algerien oder Saudi-Arabien sind sie schlicht verlogen. Denn das Kopftuch ist weltweit bekanntes Markenzeichen einer Ideologie – meinetwegen: einer Religion –, zu deren Grundsätzen es gehört, der (männlichen) Öffentlichkeit den Anblick von Frauen, wenn überhaupt, nur eingeschränkt zuzumuten. Das Kopftuch steht als Zeichen dafür, daß die körperliche Präsenz von Frauen, außer für den Ehemann der Betreffenden, irgendwie nicht Rechtens ist, es sei denn in teilweiser oder ganzer Verhüllung.

Über diese Bedeutung des Zeichens „Kopftuch“ sind sich alle im klaren, die Ministerin Schavan ebenso wie Fereshta Ludin oder deren potentielle Schülerinnen und Schüler. Das ist ganz unabhängig davon, wie Frau Ludin das persönlich sieht oder welche „liberale“ Interpretation von Koran- Suren es sonst noch gibt. Ein Hakenkreuz ist schließlich auch nicht nur ein indisches Sonnensymbol! Claudia Pinl, Köln

Wenn die muslimischen Jungen und Männer ihre Köpfe bedecken, um sich vor Frauenblicken zu schützen, wenn muslimische Jungen vom Sport- und Schwimmunterricht befreit werden, um ihren entblößten Körper nicht vor Mädchen und Frauen zur Schau zu stellen, wenn muslimische Jungen von ihren Eltern von Klassenreisen ausgeschlossen werden, weil es unsittlich ist, woanders als zu Hause zu schlafen, wenn muslimische Jungen und Männer endlich dieses Stück Gleichberechtigung für sich beanspruchen und durchsetzen, bin ich vielleicht auch dafür, daß Frau Ludin im Unterricht ihr Kopftuch trägt.

Vielleicht sollten sich Eure intellektuellen Kommentatoren (wie zum Beispiel Micha Brumlik) intensiver mit der Praxis beschäftigen. In Berlin-Kreuzberg/-Neukölln in Schulen mit einem Ausländeranteil von 80 Prozent und vielen kopftuchtragenden Mädchen, die sich – wie oben beschrieben – ständig aus- und abgrenzen, ist das Zusammenleben von Deutschen, Ausländern und dieser Gruppe von Muslimen unmöglich geworden. Selbstverständlich nutzen sie die sozialen, medizinischen und bildungspolitischen Einrichtungen dieser Gesellschaft. Warum wird von dieser Bevölkerungsgruppe keine Toleranz und kein Verständnis für Andersdenkende und Andersgläubige gefordert? So entstehen gegenseitige Aggressionen, Ablehnung und vielleicht sogar Haß, und Integration wird zur Farce. Renate Lauzemis, Berlin

Wenn jemand ein Hakenkreuz trüge und es zum Symbol eines neuen nationalen Sozialismus erklärte, schlösse man ihn weg. Zu Recht.

Wenn jemand ein Kopftuch, Symbol übelster Intoleranz und Frauenverachtung, trägt, sollte man ähnlich damit verfahren. Alle fanatischen, hauptsächlich religiöse Gruppen, predigen Intoleranz; denn zu ihrer Logik gehört, die Bekämpfung von Andersgläubigen oder Nichtbefallenen (sogenannte Nichtgläubige) bis aufs Blut. Diese Gläubigen bekämpfen sich gegenseitig und andere dafür, daß Fingernägel lackiert, Bärte ungestutzt, Köpfe unbedeckt oder Gott mit Wein oder ohne gespeist werden soll. Ein bißchen mehr Einsatz für Rationalität und nicht soviel Gesums um Menschen, die nicht „den Mut haben, sich ihres eigenen Verstandes zubedienen“. (Kant). Hartmut Bernecker, Bietigheim