Genug Öko-Rinder, zuwenig Öko-Metzger

■ Bio-Bauern starten Werbekarawane in neuen Ländern, weil ihr Umsatz stagniert

Dresden (taz) – Seit gestern rollt die Karawane: Elf Tage lang gehen Sachsens Öko-Bauern auf die Straße, um Lobbyarbeit für ihre Wirtschaftsweise und ihre Produkte zu machen. Biomärkte in Leipzig und Zwickau, Verkostungen in Torgau und Chemnitz, runde Tische, ein neues Öko-Brot mit Namen „Echter Sachse“, Politikergespräche und Veranstaltungen unter dem Motto „Dem Bio- Bauern über die Schulter geschaut“ – die Vereinigung für ökologischen Landbau, „Gäa“, hat auf ihrer Tour durch den Osten Deutschlands eine bunte Mischung aus Verbraucherunterhaltung und politischer Aktion zusammengestellt.

Werbung in eigener Sache haben die Öko-Bauern in den neuen Ländern auch dringend nötig. Denn ihre Umsätze stagnieren bei weniger als zwei Prozent der Lebensmittelbranche, der Verdrängungswettbewerb auf dem Bio- Markt ist härter geworden. Nach Gäa-Erhebung ist aber nicht die mangelnde Nachfrage der Konsumenten die Ursache. „Es fehlen vielmehr effektive Vertriebsstrukturen und gute Produkte“, so Kornelie Blumenschein, Bundesvorsitzende der Gäa. Weder der Markt noch der Handel seien die limitierenden Faktoren. „Das zeigt sich daran, daß in den Supermärkten immer mehr gute Naturprodukte aus Österreich und der Schweiz liegen.“ Das Dilemma liege bei der Verarbeitung. „Es gibt zuwenig Betriebe, die die Rohstoffe der Biobauern veredeln.“

Hervorgegangen aus dem Arbeitskreis „Landwirtschaft und Umwelt“ des Kirchlichen Forschungsheims zu Wittenberg hat die Gäa heute über 270 Mitgliedsbetriebe aus Brandenburg, Sachsen-Anhalt, Thüringen und Sachsen, die über 31.000 Hektar Anbaufläche bewirtschaften. Auf der Karawane wird auch das sächsische Gütesiegel für ökologisch korrekte Produkte vergeben. Während bundesweit noch um die Einführung eines solchen Siegels gerungen wird, schufen die Sachsen 1994 ihr eigenes Öko-Label.

Erst kürzlich wurde der Vertrag zwischen Staatskanzlei und Gäa verlängert: Der Staat hat die Rechte am Label, die Gäa ist die Verwalterin. 55mal verlieh die Gäa bisher den sächsischen Öko-Punkt nach einem Kriterienmix aus strengen Gäa-Richtlinien und Bio- Verordnungen der EU. Die Träger des Siegels hoffen durch den Imagegewinn auf bessere Marktchancen. „Die Zusammenarbeit mit der Gäa klappt hervorragend“, lobt Eberhard Bröhl, Referatsleiter im sächsischen Landwirtschaftsministerium. „Wir haben vielleicht weniger Berührungsängste mit dem Staat als andere“, meint Kornelia Blumenschein. Immer wieder gelang es der Gäa, Bauerninteressen erfolgreich zu vertreten. So nahm im letzten Jahr etwa der sächsische Finanzminister Georg Milbradt (CDU) eine Anordnung zurück, nach der die Förderung für Bauern nicht mehr nach der Größe der Fläche, sondern nach dem Umsatz des Hofes berechnet werden sollte. „Das hätte für viele der 140 Ökobauern in Sachsen das Aus bedeutet“, so Blumenschein. Nick Reimer