Jetzt Heroin vom Staat

■ Rot-Grün einigt sich auf Legalisierung von Fixerräumen und kontrollierte Heroinabgabe

Berlin (taz) – Der Hamburger Bundesratsantrag auf ärztlich kontrollierte Heroinabgabe an Schwerstabhängige schmort seit Jahren im Bundestag. Nun könnte es endlich etwas werden: SPD und Grüne haben in ihren Koalitionsverhandlungen am Mittwoch abend beschlossen, den Gesetzesvorschlag zu übernehmen. Damit könnte ein Modellprojekt, das von verschiedenen Städten unter Hamburger Federführung bereits vorbereitet wurde, alsbald losgehen. Der designierte Innenminister Otto Schily (SPD) kündigte an, daß die Hilfe für Süchtige von „Härte“ gegenüber Dealern flankiert werden wird.

Darüber hinaus sind Rote und Grüne sich einig, Fixerstuben, die bisher verschämt unter dem Titel „Gesundheitsraum“ firmieren, zu legalisieren. In Frankfurt, wo die Staatsanwaltschaft die ungewöhnliche Ansicht vertritt, daß die bisherige Gesetzeslage Druckräume erlaubt, pressierte das Problem nicht so sehr. In Hamburg aber drohte den MitarbeiterInnen solcher Drogeneinrichtungen strafrechtliche Verfolgung. Der Senat strengte deshalb einen Musterprozeß an, um die Zeit zwischen dem Ende der Ära Kohl und dem rot- grünen Wechsel zu überbrücken. Mit einer rechtlichen Klärung wird nun erwartet, daß auch andere Großstädte nachziehen und Fixerstuben einrichten.

„Sehr zufrieden“ ist die grüne Fraktionssprecherin Kerstin Müller: „Damit ist eine neue Politik eingeleitet.“ Leider habe man sich aber bei der Legalisierung weicher Drogen gegenüber der SPD nicht durchsetzen können. „Wir sind an den ideologischen Vorbehalten der SPD gescheitert.“ Und obwohl die SPD-Fraktion in der letzten Legislaturperiode es selbst gefordert hat, werden nun KonsumentInnen nicht entkriminalisiert; wer mit Drogen für den Eigenbedarf erwischt wird, macht sich weiterhin strafbar. Als „sehr enttäschend“ bezeichnete Jürgen Neumeyer, Drogenreferent der Jusos, diese Entscheidung. „Wir hätten erwartet, daß die Fraktion wenigstens ihre eigenen Beschlüsse umsetzt.“

Klar ist im übrigen auch, daß die Drogenpolitik beim Gesundheitsministerium bleibt und damit den Grünen zufällt; daß Andrea Fischer Gesundheitsministerin wird, scheint so gut wie sicher. Als parlamentarische Staatssekretärin ist die Grüne Christa Nickels, kirchlich engagierte Krankenschwester mit Interesse am Menschlichen, im Gespräch. Silke Mertins