DIE US-FRIEDENSBEWEGUNG ÜBERSCHÄTZT SICH UND BEWIRKT WENIG
: Kritiklos wie Bush

Eine Demonstration gegen George W. Bush macht noch keine soziale Bewegung. Zwar sprechen die zahlreichen Friedensgrüppchen in den USA gerne von einer „Bewegung“ – doch ihr Anliegen dringt kaum in die Wohnzimmer der schweigenden Mehrheit. Zum einen, weil über die Graswurzelproteste gewöhnlicher Menschen in einem so Promi-versessenen Land wie den USA kaum berichtet wird. Zum anderen, weil die große Mehrheit der AmerikanerInnen zwar wütend über die Politik ihres Präsidenten ist, sich aber niemals grundsätzlich zu einer rein pazifistischen Außenpolitik bekennen wollen würde.

Zudem glaubt – trotz aller späteren Enthüllungen – die Mehrheit der US-AmerikanerInnen noch immer, dass der Einmarsch im Irak im Rahmen des globalen Krieges gegen den Terror grundsätzlich richtig war. Die frisch in den Kongress gewählten Demokraten versuchen zwar, die Proteste gegen den Krieg und die allgemeine Sorge um die US-Soldaten nun medienwirksam für sich zu nutzten. Denn in den kommenden Tagen will der Kongress über eine Resolution gegen die Irakpläne des Präsidenten entscheiden. Da helfen TV-Bilder wütender BürgerInnen ungemein. Gleichzeitig jedoch sind die von ebenjenen empörten WählerInnen ins Parlament geschickten Abgeordneten bislang sehr zögerlich gewesen, wenn es um konkrete Schritte zur Beendigung des US-Einsatzes im Irak ging.

So ist von einer Resolution auch kaum mehr als symbolische Wirkung zu erwarten. Besorgniserregend ist daher die Folgenlosigkeit des Wahlergebnisses vom vergangenen November, als die Liberalen den eindeutigen Auftrag erhielten, den aussichtslosen Irakkrieg zu beenden. Überzeugten Demokraten macht es langsam Angst, dass ein Präsident sich unbekümmert durchsetzen kann, obwohl Parlament und Bevölkerung nicht mehr hinter seiner Politik stehen. Die US-Friedensbewegung hätte daher nur eine Chance, wenn sie zu einer politischen Reformbewegung würde. Doch eine wirklich selbstkritische Auseinandersetzung mit der eigenen Rolle in der Welt ist leider auch bei ihr noch nicht in Sicht. ADRIENNE WOLTERSDORF